1.August 2016

refugees_welcome_bring_your_familiesDer Begriff der “Klimaflüchtlinge” erfreut sich in den Medien großer Beliebtheit, und oft werden dabei bedrohliche Zukunftsszenarien heraufbeschworen. Meist ist von etwa 200 Millionen “Klimaflüchtlingen” die Rede, die aus Ländern des Südens nach Europa und Nordamerika migrieren würden, und oft wird ein Zusammenhang mit Sicherheitsfragen hergestellt, indem diesen Personen gewalthaftes Verhalten unterstellt wird. Die Annahme ist dabei, dass Klimawandel-bedingte Ressourcenknappheit quasi automatisch zu gewaltvollen Auseinandersetzungen führen würde, einerseits im Süden selbst, aber auch im Norden, sobald die “Klimaflüchtlinge” dann dort angekommen wären. Werden diese Personen in der Folge im Norden als Bedrohung der Sicherheit wahrgenommen, ruft dies meist Militärstrategien auf den Plan, und bietet Anlass zum Bau von Mauern und Grenzzäunen.[1]

Doch halten diese Behauptungen einer wissenschaftlichen Überprüfung stand? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Gewalt, d.h. kommt es aufgrund von Ressourcenknappheit und anderen Umweltproblemen zu bewaffneten Konflikten?

Zunächst einmal zum Begriff des “Klimaflüchtlings” selbst, denn offiziell gibt es diesen im Internationalen Recht nicht: vielmehr ist der Begriff des “Flüchtlings” seit 1951 durch die Genfer Flüchtlingskonvention definiert, und bezeichnet Personen, die aus begründeter Furcht vor politischer Verfolgung eine Staatsgrenzen überschreitende Flucht antreten. Mobilität aufgrund des Klimawandels findet jedoch häufig innerhalb der eigenen Staatsgrenzen statt, und manchmal (z.B. bei plötzlichen Katastrophen) nur temporär. Der Umfang der Klimawandel-bedingten Migration wiederum ist kaum vorherzusagen, denn die Ursachen sind vielfältig, und verschiedene Einflussfaktoren wie Armut oder Ungleichheit überlagern sich in der Praxis mit Umwelteinflüssen. Der oft zitierte Wert von 200 Millionen Personen, die bis 2050 angeblich in den Norden migrieren würden, basiert laut vieler Sozialwissenschaftler nicht auf ernstzunehmenden wissenschaftlichen Untersuchungen. Ignoriert wird dabei auch die Frage, ob die Folgen des Klimawandels noch abgeschwächt werden können, bzw. ob Adaptions-Maßnahmen die Anpassung von Gemeinschaften an das veränderte Klima ermöglichen können.[2]

Und nun zum Zusammenhang von Klimawandel und Gewalt: gibt es einen solchen, und wenn ja, wie sieht dieser aus? Die Medizinwissenschaftler Levy und Sidel (2014) werteten eine große Anzahl von Studien aus, und fanden dabei widersprüchliche Ergebnisse. So stellten einerseits viele Studien tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Gewalt fest: beispielsweise stellten klimatische Veränderungen zwischen 1500 bis 1800 in der nördlichen Hemisphäre eine der Ursachen für bewaffnete Konflikte dar, da dadurch die landwirtschaftliche Produktion zurückging, was zu sozialen Problemen führte. Und auch viele aktuelle Studien über die südliche Hemisphere stellten einen Zusammenhang zwischen Abweichungen bei Temperatur und Niederschlägen und bewaffneten Konflikten fest, von Bedeutung ist jedoch, dass die Umweltfaktoren allein nicht ausschlaggebend sind, sondern sich mit politischen, ökonomischen und sozialen Faktoren überlagern. Insgesamt handelt es sich um ein komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren, wobei z.B. Armut, Ungleichheit und empfundene Ungerechtigkeit eine große Rolle beim Entstehen gewaltvoller Konflikte spielen.[3]

Andere Studien stellten wiederum keinen Zusammenhang zwischen Klimafaktoren und bewaffneten Konflikten fest, sondern zeigten auf, dass die Hauptgründe für Gewalt politischer Natur sind. Einer Studie in Kenia zufolge haben Jahre, in denen weniger Niederschlag als gewöhnlich erfolgt, sogar einen friedensfördernden Einfluss auf das Folgejahr. Die Menschen sind sich in diesem Fall bewusst, dass sich Gewalt während einer Dürreperiode zerstörerisch auswirkt, daher werden Kooperation und Versöhnung angestrebt.[4]

Insgesamt zeigen die Studien, dass die Annahme, Umweltprobleme würden an sich Gewalt erzeugen, falsch ist. Vielmehr stellen sie eine indirekte Ursache für bewaffnete Konflikte dar, die in Kombination mit anderen sozialen Faktoren Gewalt stimulieren kann – allerdings ist dies immer auch abhängig von den vorhandenen Institutionen zur Konfliktlösung. Statt das Militär zu mobilisieren und Grenzzäune zu errichten, könnte es für Staaten des Nordens daher sinnvoller sein, politische Institutionen zu unterstützen, die friedliche und kooperative Lösungen von Konflikten begünstigen, sowie vermehrt Forschung zu fördern, die sich mit friedensfördernden Faktoren beschäftigt.[5]

Quellen:

[1] Theisen, Ole Magnus (2012): Climate Clashes? Weather Variability, Land Pressure, and Organized Violence in Kenya, 1989-2004. In: Journal of Peace Research, Vol. 49, No. 1, Special Issue: Climate Change and Conflict, S. 81-96: 82ff.

[2] Morinière, Lezlie C. Erway / Hamza, Mohammed (2012): Environment and Mobility: A View from Four Discourses. In: Ambio, Vol. 41, No. 8, S. 795-807: S. 796f.

[3] Levy, Barry S. / Sidel, Victor W. (2014): Collective Violence Caused by Climate Change and How It Threatens Health and Human Rights. In: Health and Human Rights, Vol. 16, No. 1, S. 32-40: S. 35.

[4] Theisen, Ole Magnus (2012): Climate Clashes? Weather Variability, Land Pressure, and Organized Violence in Kenya, 1989-2004. In: Journal of Peace Research, Vol. 49, No. 1, Special Issue: Climate Change and Conflict, S. 81-96.

[5] Martin, Adrian (2005): Environmental Conflict between Refugee and Host Communities. In: Journal of Peace Research, Vol. 42, No. 3, S. 329-346: 329ff.

 

Dieser Artikel stammt von Daniela Germek, MA Internationale Entwicklung.

“Klimaflüchtlinge” – eine Bedrohung für die Sicherheit in Staaten des Nordens?
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