9. 8. 2018

Hitzesommer 2018: Warum die mediale Debatte nichts an der Klimapolitik ändert

Der Sommer 2018 wird einer der heißesten aller Zeiten werden, das ist jetzt schon klar. Die aktuelle Hitzewelle und ihre Folgen haben auch zu einer medialen Debatte über die Klimakrise geführt. Doch sobald die Temperaturen wieder zurückgehen, werden auch die Appelle für mehr Klimaschutz vergessen sein.

Es ist wieder Klimawandel. In Österreich darf man schon seit Wochen bei über dreißig Grad hitzesudern, in Wien könnte diese Woche der Rekord an aufeinanderfolgenden Tropennächten gebrochen werden. Die Landwirtschaft leidet unter fehlenden Niederschlägen und verzeichnet große Ernteausfälle. In Griechenland, Schweden und anderen Ländern Europas wüten Waldbrände, in Kalifornien der größte in der Geschichte des Bundesstaates. Und sogar in Lappland wurden im Juli über 33 Grad gemessen.

Klimawandel in den Medien

Es ist gerade so sehr Klimawandel, dass auch die Medien das Thema für sich entdecken. So schreibt Eric Frey im Standard „Wir verbrennen die Erde“ und hofft, dass das „Katastrophenjahr 2018“ die Staatengemeinschaft beim UN-Klimagipfel in Polen im Dezember zusammenschweißen werde. Der ORF sieht jeden und jede „Einzelne gefordert, durch eine Änderung des individuellen Lebensstils die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen“. Und der Kurier klärt mit „Klimawandel gab es schon immer: Was jetzt anders ist“ auf.

In anderen Ländern zeigt sich ein ähnliches Bild. So widmete das New York Times Magazine dem Thema eine eigene Ausgabe mit dem Titel „Losing Earth“. Man könnte also sagen, die Klimakrise bekommt endlich jene Aufmerksamkeit, die sie aufgrund ihrer Bedeutung als größte Gefahr für das Fortbestehen der menschlichen Zivilisation schon längst verdienen würde. Doch in Wahrheit machen die Medien mit ihren Beiträgen zur bevorstehenden Klimakatastrophe oder „Heißzeit“ nicht mehr als das Sommerloch zu füllen.

Das große Schweigen der Politik

Wäre das anders, dann müssten sich PolitikerInnen in der gesamten Nordhalbkugel derzeit Fragen zur Klimakrise stellen und Rechenschaft über ihre unzureichende Klimapolitik ablegen. Bundeskanzler Kurz müsste erklären, warum er im Rahmen der österreichische EU-Ratspräsidentschaft die europäischen Außengrenzen noch mehr abriegeln will, statt den Schutz unserer Lebensgrundlagen ins Zentrum zu stellen. Verkehrsminister Hofer müsste die Pläne zum Bau des unsinnigen und klimaschädlichen Lobautunnels rechtfertigen. Und Familienministerin Bogner-Strauß in Vertretung von Umweltministerin Köstinger die desaströse Klimastrategie Österreichs verteidigen.

EU-Kommissionspräsident Juncker müsste argumentieren, wie im Jahr 2018 noch eine Übereinkunft mit den USA zum Import von mehr Erdgas und Soja geschlossen und als Erfolg verkauft werden kann. Doch all das passiert nicht. Dank Sommerloch und der noch immer unverständlichen Einstellung der allermeisten JournalistInnen zur wichtigsten Frage der Menschheit darf die Politik bequemerweise schweigen, wenn es am heißesten ist.

Auf dem Weg in die Katastrophe

Der menschengemachte Klimawandel ist einfacher zu erklären als aufzuhalten: Mehr Treibhausgase in der Atmosphäre durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern, Entwaldung und Co führen zu höheren globalen Durchschnittstemperaturen und immer mehr extremen Wetterereignissen. Je länger sich diese Entwicklung fortsetzt, desto unwahrscheinlicher wird ein langfristiges Fortbestehen von menschlichen Gesellschaften wie wir sie kennen.

Von der Wissenschaft wurden zwei Grad Erhitzung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit als kritische Grenze ausgemacht, ab der durch Kipppunkte im Erdsystem eine unkontrollierbare Klimakatastrophe droht. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Zwei-Grad-Grenze noch eingehalten werden kann, liegt laut einer Studie aus dem letzten Jahr bei unter fünf Prozent.

Stattdessen steuern wir auf eine Erhitzung um bis zu fünf Grad zu, die weite Teile der Erde in Zukunft unbewohnbar machen und zu massiven Migrationsbewegungen sowie Konflikten führen würde. Derweil steigen die globalen Emissionen trotz Paris-Abkommen munter weiter, im Vorjahr um 1,4 Prozent.

Träume, Planlosigkeit und Katastrophen

Immerhin ist es mittlerweile zumindest in Ländern wie Österreich fast unbestritten, dass es den menschengemachten Klimawandel gibt und wir etwas dagegen tun müssen. Und fast alle haben eine Meinung dazu. Wirtschaftsliberale meinen, wir sollen bessere Marktbedingungen für erneuerbare Energien schaffen und damit gleichzeitig die Wirtschaft wachsen und den CO2-Ausstoß sinken lassen. So einfach er klingt, so falsch ist dieser Traum von einer absoluten Entkoppelung.

SozialdemokratInnen haben erkannt, dass die Ärmsten am meisten unter den Folgen der Klimakrise leiden. Sie bieten aber keine ernstzunehmenden Pläne, um diese einzudämmen. Gewerkschaften verteidigen noch immer lieber Arbeitsplätze in fossilen Industrien, als sich für einen gerechten, aber schnellen Übergang in eine klimaschonende Wirtschaft einzusetzen.

Umweltbewegung und Grüne haben gute Ansätze. Doch sie haben Probleme, mit ihren Botschaften weite Teile der Bevölkerung zu erreichen. Sie trauen sich oft nicht, den Kapitalismus als Wurzel des Problems anzusprechen.

Warum wir nicht handeln

Der britische Klimaaktivist George Marshall erklärt in seinem Buch „Don’t even think about it“, warum es für uns Menschen so schwer ist, wirklich etwas gegen die drohende Klimakatastrophe zu tun. Während diese schon seit Jahrzehnten bekannt und in ihrer Tragweite schwer fassbar ist, fühlen sich Menschen eher durch Gefahren bedroht, die neu sind oder ihnen von außen aufgezwungen werden. Zum Klimawandel jedoch tragen wir alle durch unsere imperiale Lebensweise bei.

Diese hat für uns ein Konsum- und Mobilitätsverhalten zur Normalität gemacht, das noch vor einigen Jahrzehnten undenkbar war und es in anderen Erdteilen noch heute ist. Und schließlich stehen einer Energiewende, oder gar einer echten sozial-ökologischen Transformation samt Abkehr vom Wachstumszwang, beinharte Interessen kapitalistischer Akteure entgegen. Allen voran die fossilen Energiekonzerne, die seit den 1980ern Zweifel am Klimawandel streuen und in der Politik massiv lobbyieren.

Kein politischer Nebenschauplatz

Es ist seit Jahrzehnten der Standardsatz von Umweltbewegten und muss leider noch immer wiederholt werden: Wir müssen so schnell wie möglich handeln, wenn wir unsere Lebensgrundlagen erhalten wollen.

Allein mit individuellen Veränderungen werden wir nicht weit kommen, darum muss der politische Druck steigen. Wenn PolitikerInnen im Jahr 2018 nichts gegen die Klimakatastrophe tun, kann das drei Gründe haben:

  • Sie glauben tatsächlich nicht an den Klimawandel oder sind sich nicht über dessen Folgen im Klaren. Allein das disqualifiziert sie für jedes Amt.
  • Sie hoffen auf technologische Wundermittel, die das Problem in der Zukunft lösen werden. Aber Wunder sind leider keine ernsthafte politische Option.
  • Sie wollen nichts ändern und nehmen lieber globale Konflikte in der Zukunft in Kauf, um die imperiale Lebensweise zu schützen. Sie sind schon heute dazu bereit, diese mit Gewalt zu verteidigen.

Daran sollten wir auch denken, wenn es nicht mehr 35 Grad hat, aber die nächste Autobahn gebaut werden soll, Wachstum wieder einmal für wichtiger als Klimaschutz erklärt wird oder eine Weltklimakonferenz ohne Fortschritte zu Ende geht. Denn die Zerstörung unseres Planeten ist auch die größte soziale Ungerechtigkeit der Geschichte und kein politischer Nebenschauplatz.

Dieser Text von Manuel Grebenjak erschien zuerst auf Mosaik – Politik neu zusammensetzen.

Hitzesommer 2018: Warum die mediale Debatte nichts an der Klimapolitik ändert
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