Eine Zeit der Krisen

Die großen Krisen unserer Zeit haben strukturelle Ursachen – deshalb braucht es einen systemischen Wandel, um sie zu überwinden. “System change, not climate change!”[1] ist eine Forderung, die heute auf der ganzen Welt und vor allem von jungen Menschen mehr denn je erhoben wird. Die ökologischen wie sozialen Grenzen der Erde erfahren noch immer nicht die notwendige Beachtung, sondern werden immer weiter überschritten – ungeachtet der gravierenden Folgen für die Menschheit und alle anderen Lebewesen. Die Profitinteressen und die Zerstörungswut des vorherrschenden kapitalistischen Wirtschaftssystems setzen auch während Pandemien, Kriegen und anderen Krisen nicht aus.

In den letzten Jahren ist die Klimabewegung enorm gewachsen und Klimaschutz ist in aller Munde. Im Kampf für Klimagerechtigkeit muss die Erderhitzung genauso problematisiert werden wie etwa geschlechterbasierte Gewalt oder Rassismus, denn im Kern sind sie miteinander verwoben: Ob Klimakrise, Pandemie, Kriege, Wirtschaftskrisen oder soziale Probleme – sie alle sind mit den komplexen Ausbeutungsstrukturen dieser Welt verbunden. Ausbeutung ist Grundlage wie Konsequenz des Kapitalismus.[2]

In der Tradition westlicher Gesellschaften wird die Natur seit Langem als etwas gesehen, das der Mensch beherrschen kann und von ihm losgelöst existiert. Aus diesem Glauben heraus wird vielfach ignoriert, dass die vor allem im Globalen Norden gepflegte imperiale Lebensweise[3] – basierend auf Ausbeutung von Natur und Menschen – die Lebensgrundlagen der Menschheit und sämtlicher anderer Lebewesen auf der Erde zerstört. Die Natur nur im Außen zu sehen, sie nur in Abgrenzung zum Menschen zu verstehen, verkennt, dass das Leben von uns Menschen in Wirklichkeit mit ihr verbunden und von ihr abhängig ist. Die Entfremdung von der Natur zeigt sich, wenn sie nur als Ressource, Besitz oder Ware fungiert und ihr Nutzen auf vermeintlich ökonomisch messbare “Ökosystemleistungen” reduziert wird.[4]

Wir nehmen diese Verhältnisse keine Sekunde länger hin. In einem System, das Krisen strukturell hervorbringt, müssen wir eine Veränderung dieser Strukturen wagen, statt uns einreden zu lassen, individuelles Konsumverhalten allein wäre entscheidend. Wir wollen uns trauen, die verschiedenen Krisen an ihren Wurzeln zu packen und mögliche Lösungen zusammenzudenken.

 

Die Klimakrise und ihre Wurzeln

Ungleichheiten und Besitzverhältnisse

Die Klimakrise befeuert soziale Ungleichheiten massiv. Von ihren Folgen betroffen sind insbesondere benachteiligte und diskriminierte Gruppen und Menschen. Dazu kommt unter anderem ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern[5]: FLINTA*[6] erfahren etwa durch vermehrte Konflikte oder Landverlust[7] in ungleich höherem Maß Einschränkungen ihrer Sicherheit und Freiheit, Vertreibung und gesundheitliche Schäden.[8]

Ein kleiner wohlhabender Teil der Weltbevölkerung ist für einen Großteil der Emissionen verantwortlich: Von 1990 bis 2015 verursachten die reichsten zehn Prozent 52 Prozent aller klimaschädlichen Emissionen. Das reichste 1 Prozent war für 15 Prozent der Emissionen verantwortlich.[9] In Österreich produzierten die reichsten zehn Prozent der Haushalte zuletzt viermal so viele Emissionen wie die ärmsten 10 Prozent.[10] Global sind 100 Konzerne für mehr als 70 Prozent der klimaschädlichen Gase verantwortlich, die seit der öffentlichen Anerkennung der Klimakrise 1988 in die Atmosphäre geblasen wurden – unter ihnen die österreichische teilstaatliche OMV.[11]

In Handelsverträgen werden ungleiche und ausbeuterische Strukturen zugunsten privater Konzerne festgeschrieben. Diesen Profiteuren wird zudem das Recht gegeben, Staaten zu verklagen, wenn bestimmte Entscheidungen ihrem Geschäft schaden könnten. Unter dem Deckmantel des „Investitionsschutzes“ nutzen auch österreichische Unternehmen bilaterale Vereinbarungen für Klagen vor privaten Schiedsgerichten, wenn ihnen etwa Gesetze im öffentlichen Interesse zuwiderlaufen – gerade auch im Bereich fossiler Energien.[12] Solche Verträge, die von Staaten und supra-nationalen Einheiten verhandelt werden zementieren ein globales (neo-)koloniales Ausbeutungsverhältnis zwischen Staaten des Globalen Norden und Globalen Südens, also zwischen den früh industrialisierten Staaten vor allem in Europa und Nordamerika und Staaten in Afrika, Asien und Lateinamerika. Es zeigt sich, dass kapitalistische Staaten Interesse haben die Profite der Unternehmen zu sichern, auch wenn deren Interessen der Bevölkerung schaden.

Klimaschulden

Österreich hat, wie die gesamte EU, massive Klimaschulden.[13] Es gehört zu den am frühesten industrialisierten Staaten der Welt und bläst schon seit rund 200 Jahren klimaschädliche Treibhausgase in die Atmosphäre. Trotz seiner relativ geringen Bevölkerungszahl zählt es zu den 25 Nationen, die bisher am meisten zur Klimakrise beigetragen haben. Österreich hat also die Atmosphäre bereits viel stärker belastet als dem Land zusteht, um die Pariser Klimaziele zu erreichen und die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die ökologische Bilanz Österreichs erscheint außerdem besser als sie ist, weil viele CO2-intensive Produkte aus anderen Ländern importiert werden, diese Emissionen aber nicht im heimischen CO2-Budget aufscheinen, sondern in den Budgets der exportierenden Länder.[14] Auch der heimische Rohstoffverbrauch geht weit über umweltverträgliche Grenzen hinaus – umso mehr, weil die Rohstoffentnahme für die hierzulande konsumierten Waren sowie deren Produktion oft in anderen Weltregionen stattfinden. Der Verbrauch in Österreich wirkt sich so auf Umweltzerstörung und sozial-ökologische Konflikte in anderen Ländern aus.[15]

Österreich setzte in den letzten Jahren kaum wirksame Regulierungen zur Treibhausgasreduktion. Im vermeintlichen Wettbewerb mit anderen Staaten wird versucht, in Rankings positiv aufzufallen, in denen Österreich verhältnismäßig gut dasteht – beispielsweise durch den hohen, allerdings seit Langem kaum steigenden, Anteil erneuerbarer Energien in der Stromproduktion aufgrund vieler, ökologisch teils problematischer Wasserkraftwerke.[16] Dadurch wurde verschleiert, dass in absoluten Zahlen, selbst wenn nur Energiegewinnung und -verbrauch betrachtet wird, viel zu wenig passiert, um einen Beitrag zur Eindämmung der Klimakatastrophe zu leisten.

Internationale Klimapolitik

Die aktuelle Klimapolitik ist weit davon entfernt, ihrer wahren Verantwortung gerecht zu werden, ganz im Gegenteil: Scheinlösungen und Ablenkungsmanöver sind an der Tagesordnung. Noch immer haben in den UN-Klimaverhandlungen Verschmutzer wie fossile Energiekonzerne oder Fluglinien Zugang oder finanzieren diese sogar.[17] Klimapolitik wird viel zu oft nur als Reduktion von Treibhausgasen in der Atmosphäre verhandelt – ohne soziale Ungerechtigkeiten, die Zerstörung von Lebensräumen, Artenvielfalt und planetare Grenzen zu berücksichtigen. Wenn etwa nur CO2 betrachtet wird, entstehen problematische Scheinlösungen, wie CO2-Handel, CO2-Kompensation oder CO2-Speicherung.[18] Auch ein CO2-Preis allein ist kein Wundermittel gegen die Klimakrise[19], denn ein Preismechanismus allein kann die nötigen umfassenden Transformationsschritte nicht in Gang setzen.

Damit nicht genug, hat vor einigen Jahren ein weiteres Ablenkungsmanöver die klimapolitische Bühne betreten: die „Netto-Null“. Staaten und Konzerne überbieten sich gegenseitig mit Ankündigungen von Netto-Null-Zielen, also dem Zeitpunkt, ab dem ihre klimaschädlichen Emissionen – unter Zuhilfenahme von Speicherung in CO2-Senken, wie Wäldern, Mooren oder mit Hilfe nicht ausgereifter Technologien in der Gesamtbilanz bei Null liegen sollen. In Wirklichkeit handelt es sich dabei oft um Buchhaltungstricks: Ein Plus fossiler Emissionen soll durch eine Emissionsreduktion anderswo scheinbar neutralisiert werden. – Dabei braucht es eine absolute Reduktion. Weder ist klar, ob prognostizierte Technologien zur Speicherung in Zukunft wirklich im nötigen Umfang zur Verfügung stehen werden, noch ob eine Speicherung von CO2 wirklich von Dauer sein wird – etwa, wenn ein Wald abbrennt, dessen Senkenfunktion bei Klimazielen gegengerechnet wurde.[20]

Bis zu 37 Prozent der im Pariser Abkommen anvisierten Treibhausgas-Reduktion soll durch “Nature Based Solutions” erreicht werden können[21], also durch das Speichern von CO2 in Pflanzen und Böden. Diese “Lösungen” verwandeln allerdings oft Natur in einen Kompensationsmechanismus – meist Ökosysteme und Lebensräume im Globalen Süden, die für den Ausgleich der Emissionen des Nordens herhalten sollen – was häufig zu Landraub führt und daher koloniale Ausbeutung fortführt. Außerdem lenken diese Ansätze von der Wurzel des Problems ab, dem Verbrennen fossiler Rohstoffe sowie Überproduktion und unnachhaltigen Lebensweisen. Statt darauf richten sie den Fokus auf Aktivitäten, die vermeintlich CO2 kompensieren. Es gibt schlichtweg zu wenig Land auf unserem Planeten, um die gesammelten Netto-Ziele von Staaten und Konzernen zu erreichen.[22]

„Grüner“ Kapitalismus

Getrieben von der Ideologie des Neoliberalismus führt die Dominanz „des Marktes“ im “freien Spiel der Kräfte” dazu, dass Kapitalinteressen über Grundbedürfnisse der Menschen, das Recht auf Leben und die Rechte von Natur und anderen Lebewesen gestellt werden.

Die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Klimazerstörung – also dass die Wirtschaft effizienter wird und somit die Klimaschäden weniger schnell wachsen als die Wirtschaft, oder sie sogar sinken – funktioniert nicht annähernd weit und schnell genug.[23] Trotz technologischer Entwicklungen und Effizienzsteigerungen ist Wirtschaftswachstum bisher stark gekoppelt an steigende Emissionen und Ressourcenverbrauch – und grünes Wachstum damit ein Märchen.[24] Auch in Österreich zeigt sich, dass Wirtschaftswachstum der größte Treiber von Klima- und Naturzerstörung ist.[25] Dazu kommt, dass die wachsenden Gewinne überproportional in die Taschen einiger weniger Vermögender fließen, während die Einkommensungleichheit in den letzten Jahrzehnten in fast allen Ländern zugenommen hat.[26]

Mobilität: Bisher fast nur Scheinlösungen

Das Beispiel Mobilität macht die Probleme der aktuellen Wirtschaftsweise sichtbar: Der Verkehr ist der Sektor mit den zweithöchsten Treibhausgas-Emissionen Österreichs und diese sind in den letzten Jahren deutlich angestiegen.[27] Negative Folgen des autozentrierten Verkehrssystems sind u.a. gesundheitliche Belastungen durch Feinstaub, Lärm und Verkehrsunfälle. Anstatt eine klimagerechte Mobilitätswende anzugehen, verschärfen die von der Auto- und Baulobby sowie den meisten politischen Parteien vorgeschlagenen Lösungen globale Krisen: Rund um die Ressourcen für E-Autos und Biotreibstoffe entstehen Konflikte, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen im Globalen Süden. Unverhältnismäßig viel öffentlicher Raum wird für Auto-Infrastruktur bereitgestellt und es gibt keine gerechten Lösungen für die dadurch entstehenden Schäden für alle.

Rechte Ökologie

Klimagerechtigkeit und Grenzabwehr[28] schließen sich im Gegensatz zu dem, was die ÖVP beim Regierungsantritt 2020 verlautbarte („Klima und Grenzen schützen“) aus.  Klimagerechtigkeit bedeutet offene Grenzen und Bewegungsfreiheit für alle. Klima- und Naturschutz, wie er von Rechts gedacht wird, bedient sich nationalistischer, rassistischer und system-stabilisierender Logiken. Demnach sollen zwar E-Autos gefördert, Ölheizungen abgeschafft und Nationalparks ausgedehnt werden, dafür aber Landesgrenzen geschlossen werden, um den eigenen Überfluss abzusichern. Im „eigenen Land“ werden von der Klimakrise Betroffene hintenangestellt und mit unsozialen Maßnahmen belastet, statt Konzerne und Profiteure für ihren Beitrag zur Klimakrise zur Verantwortung zu ziehen. All das hält das ausbeuterische System am Laufen, anstatt es abzulösen. Die Probleme bei anderen zu suchen – seien es deren mangelnde wirtschaftliche „Entwicklung“, Kriege oder wachsende Bevölkerung – ist eine Haltung, die ignoriert, dass der derzeitige Lebensstandard in Österreich auf der jahrhundertelangen Ausbeutung anderer Weltregionen beruht.

Eine solche Klimapolitik ist nicht nur ineffizient, weil sie die Ursachen der Krise unangetastet lässt. Sie ist menschenverachtend. Deswegen grenzen wir uns von reaktionären Tendenzen klar ab, welche die Klimabewegung vereinnahmen wollen oder sich fälschlicherweise als ihr zugehörig sehen. Als Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung stellen wir uns aktiv gegen jede Diskriminierung und stehen für eine antirassistische und feministische Politik.

Was es braucht

Um seiner historischen Verantwortung gerecht zu werden, muss der Globale Norden zuerst und am schnellsten für die Senkung seiner Emissionen sorgen. Berechnet man etwa die Klimaschulden Österreichs mit ein, so müssen im Land bis 2030 rund 250 Prozent der Emissionen im Vergleich zu 1990 eingespart werden, um einen gerechten Beitrag zur Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 Grad zu leisten.[29] Im Inland müssen die Emissionen dazu um 75 Prozent zurückgehen. Zusätzlich muss durch Finanzierung und Bereitstellung von Technologien (z. B. für erneuerbare Energiegewinnung) in Zusammenarbeit mit dem Globalen Süden eine Emissionsmenge reduziert werden, die 175 Prozent der heutigen Emissionen entspricht. Dafür ist ein Vielfaches der bisherigen Klimafinanzierung Österreichs notwendig. Die Bereitstellung dieser Mittel darf allerdings nicht als Vorwand dienen, im Inland geringere Einsparungen umzusetzen.

In der Zeit nach 2030 müssen die aus heutiger Sicht verbleibenden 25 Prozent der inländischen Emissionen so schnell wie möglich auf Null gesenkt werden. Eine Unterstützung von Ländern und Regionen mit Klima-Guthaben bleibt auch danach notwendig und muss neu evaluiert werden. Dazu kommen Reparationen für angerichtete Schäden durch die jahrhundertelange Ausbeutung von Mensch und Natur, die sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer stärker zeigen werden.[30]

Eine Mobilitätswende ist mehr als eine Verkehrswende

Wir fordern das Ende des fossilen Individualverkehrs – hin zu einer klimagerechten Mobilitätswende, die mehr ist als ausgebaute Radwege und billigere Öffis. Mobilitätswende bedeutet für uns auch ein Recht auf freie Mobilität für alle Menschen, egal ob sie bewegungseingeschränkt, staatenlos, vermögend, weiblich gelesen oder noch im Kinderwagen sind und egal ob sie sich über Grenzen zwischen Stadt und Land oder die konstruierte Grenze von Nationalstaaten hinwegbewegen.

Eine klimagerechte Mobilität braucht eine Welt der kurzen Wege, in der regionale Wirtschaftskreisläufe partizipativ und nach den Bedürfnissen der Menschen gestaltet werden und sich in einem kleineren Umkreis als bisher abspielen.[31]

Wir verstehen Alltagsmobilität als Menschenrecht und Grundbedürfnis, das alle Menschen in sozialer und ökologischer Weise, in geringer Distanz zum Wohnort und möglichst barrierearm befriedigen können sollen. Damit eine klimagerechte Mobilität für alle Wirklichkeit wird, braucht es nachhaltig wirksame Maßnahmen: eine Neuorganisation von Arbeit, eine Anpassung der Infrastruktur und der Raumordnung, eine umfangreiche Förderung klimaschonender, sozial verträglicher Fortbewegung und eine Verkürzung von Güterketten durch regionalisierte Produktionsstrukturen für kurze Transportwege; aber auch einen gerechten Umbau des Mobilitätssektors.

Mobilität, die allen gehört

Eine zukunftsfähige und ressourcenschonende Mobilität erfordert eine Änderung der Eigentumsverhältnisse. Mobilität darf nicht dem Profitzweck dienen, sondern muss im Einklang mit gesellschaftlichen wie individuellen Bedürfnissen gestaltet werden. Vor allem müssen Wege, die für reproduktive Tätigkeiten wie z.B. Sorgearbeit oder Kinderbetreuung, zurückgelegt werden, viel stärker Berücksichtigung finden.

Verfügbarkeit muss über Besitz stehen – nach dem Motto „Nutzen statt besitzen“. Nutzer:innen, Beschäftigte und alle von der Produktion betroffenen Personen sollen gemeinsam entscheiden, was, wie, wo und wann produziert und bereitgestellt wird.[32]

Konkret bedeutet das, dass das Privileg exklusiver Nutzung privater motorisierter Fahrzeuge radikal abgebaut und Neuzulassungen begrenzt werden müssen. Stattdessen sollen standort-gebundene gemeinschaftlich organisierte Sharing-Modelle flächendeckend auf- und ausgebaut werden – und motorisierter Individualverkehr die Ausnahme werden. Fahrzeughersteller:innen, Zulieferer:innen und Verkehrsbetriebe müssen sich dementsprechend umorientieren. Das bedeutet, Unternehmen müssen in der Produktion umsatteln und Umschulungen in die Wege leiten, wozu sie von politischer Seite Anreize erhalten müssen.[33] Dass Unternehmen zu einer Umstellung in der Produktion auch in kurzer Zeit in der Lage wären, hat sich etwa in der Corona-Pandemie gezeigt, z. B. als VW plötzlich begann, Gesichtsvisiere zum Schutz vor dem Virus herzustellen.[34] Gesamtheitliche Mobilitätsdienstleistern bzw. -plattformen, die einer direkten demokratischen Kontrolle unterliegen, können als Leitmodell für den Umbau dienen.

Gerechte globale Zusammenarbeit

Für den Ressourcenverbrauch im Globalen Norden durch motorisierten Verkehr sowie andere Industrien müssen gerechte Kompensationen geleistet werden, die Menschen im Globalen Süden zugute kommen, die mit der Ausbeutung der Ressourcen sowie den Folgen der Klimakatastrophe konfrontiert sind (Stichwort: Lithium-Batterien für E-Autos). Ein Teil der Wertschöpfung könnte etwa über eine Ressourcenabgabe an die betroffenen Gemeinschaften bzw. Regionen zurückfließen.

Nachhaltige Infrastruktur für Menschen und Wirtschaft

Verkehrsflächen sollen gemäß ihrer zukunftsfähigen Nutzung umverteilt werden, das heißt, systematisch Fußgänger:innen, Radfahrenden, Bahnfahrer:innen und Nutzer:innen anderer klimaschonender Fortbewegungsmittel zu bevorzugen. Besonders überregionale Radschnellwege und ein flüssigerer öffentlicher Verkehr müssten forciert werden. Ungenutzte Verkehrsflächen sollten entsiegelt werden. Insgesamt muss die Infrastruktur für Autos rückgebaut werden.[35]

Wo Maßnahmen im öffentlichen Verkehr auch bei hohem Nutzungsgrad eine zu geringe Auslastung bedeuten würden, gilt es, Alltagsmobilität ohne Auto bedarfsorientiert zu ermöglichen, etwa durch E-Sammeltaxis. Transnational könnten Einnahmen aus Treibstoffabgaben für LKW-, Luft- und Schiffsverkehr in grenzüberschreitende Bahninfrastruktur sowie die Attraktivierung regionaler, ökologisch und sozial gestalteter Wirtschaftskreisläufe fließen.

Für öffentliche Verkehrsmittel gilt es, Barrieren möglichst abzubauen, sowohl was den direkten Zugang und die Verfügbarkeit als auch was die Tarife betrifft. Sozial benachteiligten Menschen muss eine kostenlose Nutzung ermöglicht werden.


Wofür wir kämpfen

Wir kämpfen für eine barrierearme, das Klima und unseren Planeten schonende Bereitstellung von Mobilität, die sich an den kollektiven Bedürfnissen der Menschen orientiert[36]. Über diese Mobilität muss demokratisch unter Einbeziehung von Beschäftigten und Nutzer:innen entschieden werden, denn nur so können Bedürfnisse mit lokalen Gegebenheiten sowie ökologischer Verträglichkeit in Einklang gebracht werden. Das bedeutet, nicht fossile Fortbewegung für alle zugänglich zu machen – flächendeckend und sicher, über nationalstaatliche Grenzen hinweg und innerhalb planetarer Grenzen.

 

Diskussionspapier als PDF

 

[1] Unsere 12 Schritte für Klimagerechtigkeit: https://systemchange-not-climatechange.at/de/positionspapier/

[2] Kolonialismus & Klimakrise. Über 500 Jahre Widerstand (2021) https://nrw.bundjugend.de/wp-content/uploads/sites/3/2021/08/Kolonialismus-und-Klimakrise-Ueber-500-Jahre-Widerstand-11.pdf

[3] Brand, Ulrich/Wissen, Markus (2017): Imperiale Lebensweise: Zur Ausbeutung von Mensch und Natur in Zeiten des globalen Kapitalismus. oekom.

[4] Mehr siehe Unterpunkt „Kapitalistische Naturverhältnisse” in unserem Selbstverständnis: https://systemchange-not-climatechange.at/de/unser-selbstverstaendnis/

[5] “’The IPCC found that gender inequalities are further exaggerated by climate-related hazards, and they result in higher workloads for women, occupational hazards indoors and outdoors, psychological and emotional stress, and higher mortality compared to men,’ Verona Collantes, an intergovernmental specialist with UN Women, told Global Citizen. […] When societies have higher levels of gender inequality, deforestation, air pollution, and resource loss get worse, the UN found.” https://www.globalcitizen.org/en/content/how-climate-change-affects-women/ (siehe auch UNDP Human Development Report 2020: http://hdr.undp.org/sites/default/files/hdr2020.pdf, S. 61 ff.)

[6] FLINTA* ist eine Zusammensetzung aus mehreren Abkürzungen: F steht für Frauen, also Menschen, die sich als weiblich identifizieren; L für Lesben, also weiblich gelesene Menschen, aber auch Menschen, die sich nicht als Frauen definieren, aber als Lesben – etwa nicht-binäre oder inter Personen, die homosexuell sind; I für Intersexuelle Menschen, die von Geburt medizinisch als „geschlechtlich uneindeutig“ gelten; N für Nicht-binäre Personen, die sich weder mit dem weiblichen Geschlecht, noch mit dem männlichen identifizieren; T für transgender, ein Überbegriff für Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde; A für agender, Personen, die kein Geschlecht haben, sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen oder das Konzept von Geschlecht ablehnen. Der Stern (*) steht für alle, die sich in der Bezeichnung in keinem der Buchstaben wiederfinden. https://kritische-maennlichkeit.de/glossar/flint-lgbtiqa-usw/

[7] https://www.welthungerhilfe.de/presse/pressemitteilungen/2020/global-land-inequality-report/

[8] https://www.undp.org/press-releases/gender-lens-essential-addressing-linked-climate-change-and-security-crises-urges

[9] https://oxfamilibrary.openrepository.com/bitstream/handle/10546/621052/mb-confronting-carbon-inequality-210920-en.pdf

[10] https://mobilitaet.greenpeace.at/assets/uploads/assets/uploads/GP_ReportKlimaungerechtigkeitAT.pdf

[11] https://www.theguardian.com/sustainable-business/2017/jul/10/100-fossil-fuel-companies-investors-responsible-71-global-emissions-cdp-study-climate-change

[12] https://www.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/eu/internationalerhandel/investitionsschutz/index.html

[13] Hickel, Jason (2020): Quantifying national responsibility for climate breakdown: an equality-based attribution approach for carbon dioxide emissions in excess of the planetary boundary. https://www.thelancet.com/journals/lanplh/article/PIIS2542-5196(20)30196-0/fulltext

[14] https://ccca.ac.at/fileadmin/00_DokumenteHauptmenue/02_Klimawissen/FactSheets/21_konsumbasierte_Treibhausgasemissionen.pdf

[15] https://www.oefse.at/veranstaltungen/veranstaltung/event/show/Event/oesterreichs-grosser-ressourcen-fuss-und-sein-globaler-abdruck/

[16] Umweltdachverband (2015): Gewässer schützen – Wasserkraft nützen. http://www.umweltdachverband.at/assets/Umweltdachverband/Publikationen/Eigene-Publikationen/Wasserkraftbroschuere-final-WEB.pdf

[17] https://www.gcop.scot/blog/cop25-was-a-playground-for-polluters-cop26-must-be-different/

[18] https://www.klimascheinloesungen.de/

[19] https://www.derstandard.at/story/2000107349261/warum-co2-steuern-kein-wundermittel-gegen-die-klimakrise-sind

[20] Friends of the Earth International et. al. (2021): Chasing carbon unicorns: The Deception Of Carbon Markets and “Net Zero”. https://www.foei.org/wp-content/uploads/2021/04/Friends-of-the-earth-international-carbon-unicorns-english.pdf

[21] World Rainforest Movement (2021): Nature-based Solutions: Concealing a massive land robbery. https://wrm.org.uy/bulletins/issue-255/

[22] Action Aid et. al (2020): NOT ZERO: How ‘net zero’ targets disguise climate inaction. Joint technical briefing by climate justice organisations. https://actionaid.org/publications/2020/not-zero-how-net-zero-targets-disguise-climate-inaction#downloads

[23] Jackson und Victor (2019): Unraveling the claims for (and against) green growth. https://www.science.org/doi/full/10.1126/science.aay0749

[24] „Ein systematischer Review von mehr als 800 wissenschaftlichen Veröffentlichungen kommt zum Ergebnis, dass eine ‚schnelle absolute Reduktion von Ressourcenverwendung und Treibhausgasemissionen nicht mit den bisher empirisch beobachteten Entkopplungsraten‘ erreicht werden kann, wenn die Wirtschaft weiter wächst.“ Wiedenhofer et al. (2020): A systematic review of the evidence on decoupling of GDP, resource use and GHG emissions, part I: bibliometric and conceptual mapping. https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/ab8429/meta

[25] https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/nachhaltigkeit/ressourceneffizienz/publikationen/bericht2020.html (siehe auch: https://www.derstandard.at/story/2000125546562/wirtschaftswachstum-ist-absolut-klimaschaedlich)

[26] World Inequality Report. https://wir2022.wid.world/

[27] https://www.umweltbundesamt.at/news210119/sektoren#:~:text=Der%20Sektor%20Energie%20und%20Industrie,Tonnen)%20gestiegen

[28] https://www.diepresse.com/5745841/es-ist-moeglich-klima-und-grenzen-zu-schuetzen-oevp-und-gruene-einig

[29] https://calculator.climateequityreference.org/

[30] https://foreignpolicy.com/2020/10/10/case-for-climate-reparations-crisis-migration-refugees-inequality/

[31] Mehr siehe https://systemchange-not-climatechange.at/de/unsere-mobilitaetsvision/

[32] Mehr siehe https://systemchange-not-climatechange.at/de/just-transition-positionspapier/

[33] Schütt, Mariana/Hof, Tobias (2020): Corona und Mobilität. https://prokla.de/index.php/PROKLA/article/view/1902/1823

[34] https://www.automobilwoche.de/article/20200402/AGENTURMELDUNGEN/304029930/produktion-in-corona-krise-vw-fertigt-teile-fuer-gesichtsvisiere

[35] https://www.vcoe.at/good-practice

[36] Vgl. auch https://systemchange-not-climatechange.at/de/wienautofrei-positionspapier/

System Change, not Climate Change!