Vor Beginn der internationalen Automesse IAA in München, wirft mosaik Redakteur Mathias Krams einen gewollt positiven Blick auf den Nutzen des Events.

Credit: Sand im Getriebe

Von Mathias Krams, , erschienen auf mosaik-blog

So wie es läuft, kann es nicht weiter gehen. Der Verkehrssektor verzeichnet in Deutschland die größte Lücke zur Erreichung der Klimaziele – mit Abstand. Für 61 Prozent der Verkehrsemissionen sind Autos verantwortlich. Trotzdem weigert sich Verkehrsminister Wissing, ein Klima-Sofortprogramm vorzulegen. In Österreich ist die Situation ähnlich katastrophal. Das zeitgleich abermals die größte Automesse der Welt in München stattfindet, auf der Privat-Autos als Fortbewegungsmittel der Zukunft angepriesen werden, wirkt da trotz zahlreicher Greenwashing-Bemühungen reichlich bizarr. Dennoch möchte ich argumentieren: Es ist gut, dass es die IAA noch gibt. Denn sie serviert die falschen Versprechungen der privaten Automobilität auf dem Silbertablett und macht sie dadurch angreifbar.

Von Mobilität reden, aber Auto meinen

Die Automesse in München nennt sich nun ‚Mobilitätsveranstaltung‘. Trotzdem bleibt sie autozentriert. Ein Fokus auf Mobilität würde bedeuten, gesellschaftliche Teilhabe für alle, unabhängig von Autobesitz, zu ermöglichen. Mehr Mobilität durch weniger Autoverkehr, lautet das Leitmotiv nachhaltiger Verkehrsplanung. Das heißt eine Raumplanung der kurzen Wege statt Zersiedelung, lebendige Stadtteilzentren statt autozentrierter Stadt und Ausbau der Schiene statt verstopfter Autobahnen. Aber auch bedürfnisorientiertes Wirtschaften statt Wachstumsfetisch. In einem nachhaltigen Mobilitätssystem spielen auch E-Autos, bevorzugt in geteilter Nutzung, eine Rolle. Allerdings eine untergeordnete. Nämlich nur da, wo aktive und öffentliche Mobilität nicht ausreicht, um Teilhabe zu ermögliche.

Der Chef des Verbands der Autohändler, Arne Josweg, sieht das freilich anders: „Nachhaltige individuelle Mobilität wird auch in Zukunft nicht ohne Auto funktionieren“.  Und auch auf der IAA geht es unter dem Vortragstitel „Nachhaltige individuelle Mobilität“ allein um die Rolle der Autohändler. Bei einer ‚Networking Tour‘ zu nachhaltiger Mobilität stehen derweil Autobauer, eine Autobank, Hersteller von Autoladegeräten und Autoforschung auf dem Programm. Zu Fuß gehen, Radfahren oder Öffis spielen auf dem „IAA Summit“ keine Rolle.

Greenwashing globaler Zerstörung

Um das autozentrierte Programm in ökologischer Hinsicht ‚reinzuwaschen‘, gibt es im Englischen Garten jedoch eine Fahrradteststrecke. Und auch sonst steht Greenwashing hoch im Kurs. Es soll wohl davon ablenken, dass Privat-Autos ein äußerst ineffizientes Transportmittel sind. E-Autos – mit denen sich die diesjährige IAA schmückt – sind zwar etwas effizienter als fossile Verbrenner. Doch das Problem ist nicht allein der Antrieb. Nur 1,3 Personen werden im Durchschnitt mit einem Auto befördert. 97 Prozent des Tages steht es parkend herum und versperrt oftmals öffentlichen Raum. Diese ineffiziente Nutzung von Privat-Autos steht in keinem Verhältnis zu der enormen Menge an Rohstoffen, die zur Herstellung und dem Betrieb notwendig sind. Die Folgen dieser ressourcenverschwendenden Art der Fortbewegung treffen Menschen im Globalen Süden ganz besonders: Durch eine erhöhte Vulnerabilität gegenüber der eskalierenden Klimakatastrophe, mittels Gesundheitsauswirkungen von Naturzerstörungen, durch Ressourcenkonflikte und Menschenrechtsverletzung bei ihrem Abbau. Die Stimmen der Betroffenen sind auf der Automesse – wenig verwunderlich – nicht vertreten.

Wer trotz des Werbens für besonders ressourcenintensive SUVs ein reines Gewissen bewahren möchte, für den hat die IAA Klimazertifikate im Angebot. Moderner Ablasshandel, der sowohl Besucher:innen als auch Aussteller:innen angeboten wird. Für das Unternehmen ‚myclimate‘ vor allem ein gutes Geschäft. Der Nutzen für das Klima bleibt eher fraglich. Denn nicht nur fließt nur ein Bruchteil des Geldes in Klimaprojekte. Außerdem stellt sich die Frage: Was passiert, wenn das CO2-Ausgleichsprojekt auf einmal in Flammen steht? Das war bei den diesjährigen Waldbränden weltweit regelmäßig der Fall. Es hilft eben doch nur eine Reduktion des Verkehrs sowie des Energie- und Ressourcenverbrauchs, um die Klimaerhitzung auszubremsen.

Arme bleiben außen vor

Ein Mobilitätssystem, das auf den Privat-Besitz von Autos ausgerichtet ist, ist antisozial. Bei durchschnittlichen monatlichen Nutzungskosten von über 400 Euro sind Privat-Autos für viele unbezahlbar. Und wer trotz niedrigem Einkommen vom Auto abhängig ist, für den ist dies eine enorme Belastung. Oft geht sie mit einer Einschränkung von Mobilität einher. Hinzu kommt, dass ärmere Haushalte Lärm und Luftverschmutzung, und damit den Gesundheitsbelastungen durch Autoverkehr, besonders stark ausgesetzt sind. Denn bezahlbarer Wohnungen liegen oft an vielbefahrenen Straßen.

Verschärfend kommt hinzu, dass Autokonzerne sich zunehmend auf Besserverdienende ausrichten. Preiswertere Kleinwagen fliegen massenhaft aus dem Programm. Denn mit SUVs und Luxusausstattung lässt sich mehr Profit machen. Auf der IAA ist diese Ausrichtung noch in anderer Hinsicht greifbar: Während der Pöbel mit kostenlosen Angeboten in der Innenstadt bei Laune gehalten wird und sich an teuren Neuwagen, die als Statussymbole präsentiert werden, ergötzen kann, ist man in der Messe, bei Tagesticketpreisen von 179 Euro, unter sich.

Hier beratschlagen Konzerne und Besserverdienende, wie die autozentrierte Zukunft aussehen soll. Die Mobilitätsbedürfnisse von finanziell Schwächeren spielen bei dieser Pseudo-Mobilitätsveranstaltung hingegen keine Rolle. Reale Herausforderungen der Mobilitätswende, wie barrierefreie Öffis, Mobilitätsarmut und sichere Radwege für alle, stehen nicht auf der Tagesordnung.

Automobil-Ausstellung: Warum es gut ist, dass es die IAA noch gibt
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