Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat mit seiner neuen Entscheidung den Bau der dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat erlaubt. Klimaschützer*innen sind kaum überrascht, aber betrübt über die Genehmigung des klimaschädlichsten Infrastrukturprojektes Österreichs. Das Erkenntnis folgt der verfassungswidrigen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zur dritten Piste vom vergangenen Juni.
Vor einem guten Jahr, am 2. Februar 2017, durften sich Pistengegner*innen noch freuen: Das BVwG untersagte den Bau der dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat, da diese eine enorme Steigerung des Treibhausgasausstoßes verursache und zu viel Boden verbrauche.
Die Richter1 hatten ausführlich, gewissenhaft und mit Bezug zu verschiedenen nationalen Gesetzen und internationalen Klimaschutzvereinbarungen (etwa Klimaschutzabkommen von Paris und Kyoto-Protokoll) die Verpflichtung des Staates Österreich zum Klimaschutz herausgearbeitet. Eine besondere Rolle spielte hier § 3 des Bundesverfassungsgesetzes Nachhaltigkeit:
“§ 3. (1) Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zum umfassenden Umweltschutz.
(2) Umfassender Umweltschutz ist die Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einwirkungen. Der umfassende Umweltschutz besteht insbesondere in Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens sowie zur Vermeidung von Störungen durch Lärm.”
Nach dieser Vorschrift ist Klimaschutz, als Teil des Umweltschutzes, ein österreichisches Staatsziel und trägt damit Verfassungsrang. Es war letztlich also alleine wegen dieser Verfassungsnorm legitim, dass das Bundesverwaltungsgericht den Klimaschutz bei seiner Entscheidung vom 2. Februar 2017 berücksichtigte.
Dies sah der VfGH allerdings anders: Mit verfassungswidrigen und willkürlichen Argumenten hob er dieses Erkenntnis des BVwG am 29. Juni 2017 auf und verbot dem Gericht, Klimaschutz bei der erneuten Prüfung über die Genehmigung der dritten Piste zu berücksichtigen.
Entscheidung des Verfassungsgerichtshof war verfassungswidrig
Nach Sicht des VfGH dürfe der Klimaschutz nicht als entgegenstehendes Interesse bei der Genehmigung nach § 71 I Luftfahrtgesetz (LFG) berücksichtigt werden, weil das LFG den Klimaschutz nicht als Interesse kenne.
Diese im LFG festgeschriebenen Interessen könne, so der VfGH, auch das Staatsziel Umwelt- und Klimaschutz nicht erweitern – obwohl es Verfassungsrecht ist. Kurz: Das LFG spricht nicht ausdrücklich von Klimaschutz als zu berücksichtigendem Interesse. Das Staatsziel Klimaschutz könne daran auch nichts ändern. Ergo: Klimaschutz dürfe nicht bei der Genehmigung eines Flughafenausbaus berücksichtigt werden.
Im österreichischen Rechtsstaat gilt allerdings der Vorrang der Verfassung. Immer. Es ist verfassungsrechtlich daher unbegreiflich, wie der VfGH hier einfach das Staatsziel Klimaschutz mit Verweis auf einfaches Recht (Luftfahrtgesetz) wegwischen konnte. Verfassungswidrig und willkürlich war somit vielmehr die Entscheidung des VfGH.
Allein: Dessen Entscheidung ist rechtlich bindend für das BVwG. Das hieß also, die Richter des BVwG durften den Klimaschutz nicht mehr als dem Flughafenausbau entgegenstehendes Interesse annehmen.
Der eigentliche Eklat ist also die Entscheidung des VfGH. Er hat hier nicht nur mit seiner Rolle als Hüter der Verfassung gebrochen. Er hat der fossilen Wirtschaft und den politischen Befürwortern der dritten Piste mit seiner verfassungswidrigen Entscheidung in die Karten gespielt.
Diesen Verdacht bestärkt auch der Vorwurf des VfGH an das BVwG, dieses habe die Emissionen falsch berechnet. Laut VfGH dürfen dem Flughafen nur die CO2-Emissionen zugerechnet werden, welche während der Starts und Landungen verursacht werden. Das BVwG hatte die Emissionen auf Grundlage des in Schwechat zusätzlich getankten Kerosins, d. h. aller Abflüge von der dritten Piste, errechnet – eine Methode, die auch an anderen Flughäfen üblich ist.
Wird die dritte Piste jetzt gebaut?
Innerhalb der nächsten sechs Wochen können die Parteien eine Beschwerde am Verfassungsgerichtshof einreichen. Eine ordentliche Revision zum Verwaltungsgerichtshof ist ebenfalls zugelassen. Diese hat aber grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Laut dem Standard wolle das Flughafen-Management allerdings mit dem Baubeginn warten, bis endgültige Rechtssicherheit besteht. Auch auf EU-Ebene könnte noch eingeklagt werden, dass Klimaschutz bei Flughafenausbauten durchaus berücksichtigt werden muss. Eine leise Hoffnung, dass dem Bau der dritten Piste doch noch auf rechtlichem Wege Einhalt geboten werden kann. Schließlich ist Flugverkehr um ein Vielfaches klimaschädlicher als eine Fahrt mit der Bahn. Wenn sich Österreich ernsthaft zu den Pariser Klimazielen und zu seinem eigenen Staatsziel Klimaschutz bekennt, darf es sich beim Flugverkehr nicht weiter aus der Verantwortung stehlen.
Nicht zuletzt ist nun die Zivilgesellschaft gefragt, sich für den Stopp des Flughafenausbaus einzusetzen. Die Klimagerechtigkeitsbewegung „System Change, not Climate Change!“ geht hier mit gutem Beispiel voran. Und wer weiß, vielleicht kann der Konflikt rund um die dritte Piste doch noch zu einem neuen Hainburg werden. Die Frage dabei wird sein: Wachstum um jeden Preis und Profite für wenige oder weniger Lärm, saubere Luft und ein gutes Leben für alle?
1Alle drei männlich.