8. 9. 2018

Energiedemokratie

Das aktuelle fossile Energiesystem ist die Wurzel der Klimakrise und befeuert globale Ungerechtigkeiten. Der Gegenentwurf von „System Change, not Climate Change!“ dazu lautet Energiedemokratie und bedeutet eine demokratisch, ökologisch und sozial gestaltete Transformation unserer Energieversorgung.

Dieses Positionspapier wurde von uns mit der Arbeitsgruppe KlimAttac und in Kooperation mit Attac Österreich erarbeitet.

Die Klimakrise bedroht unsere Lebensgrundlagen

Seit Beginn der Industrialisierung steigt die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit an. Dies hat bereits zu deutlichen Veränderungen des Weltklimas geführt: Seit dem Jahr 1880 ist die Temperatur im globalen Mittel um rund ein Grad Celsius gestiegen, bis zum Jahr 2100 droht eine Temperaturerhöhung um drei bis fünf Grad. Schon heute häufen sich deshalb Extremwetterereignisse, der Meeresspiegel steigt bedrohlich an, die Biodiversität nimmt ab und unsere natürlichen Lebensgrundlagen werden zerstört.

 

Die Krise des fossilen Energiesystems

Die Wurzeln dieser Entwicklung liegen im energieintensiven Wirtschaftssystem des Globalen Nordens, das auf Wachstum und Konkurrenz aufbaut. Historisch führte der Einsatz von Kohle, Erdöl, Erdgas und Atomenergie zu zentral organisierten Versorgungsstrukturen in Form von global agierenden Energiekonzernen. Der Ort der Energieförderung wurde vom Ort der Anwendung entkoppelt. Der Einsatz fossiler Energien veränderte die Art, wie Menschen ihre Häuser beheizen, Güter produzieren und verteilen und sich fortbewegen. Die Entwicklung der heutigen globalisierten Gesellschaft samt der ungerechten internationalen Arbeitsteilung wäre ohne den fossilen Verkehr nicht möglich gewesen. Fossile Energie steht im Globalen Norden zu jeder Zeit, an jedem Ort und in großen Mengen zur Verfügung. Der Zugang dazu bleibt jedoch ungleich: Während arme Menschen auch in Europa oftmals von Energiearmut betroffen sind, ermöglicht das fossile Energiesystem Wirtschaftseliten große Produktionseinheiten mit hohen Profiten und beschleunigt somit die Anhäufung von Kapital und Macht.

Diese Verhältnisse sind stark mit der imperialen Lebensweise eines Teils der Menschheit insbesondere im Globalen Norden verknüpft, die auf dem Ideal eines modernen Lebens mit seiner dauerhaften Verfügbarkeit von Konsumgütern beruht. Die Aufrechterhaltung dieser Lebensweise basiert auf der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen und Arbeitskraft; negative Folgen werden größtenteils auf Länder des Globalen Südens, nachfolgende Generationen und benachteiligte Bevölkerungsgruppen ausgelagert.

Die internationale Politik ist wesentlich beeinflusst von geopolitischen Machtverhältnissen und Konzerninteressen, die einen notwendigen Kurswechsel blockieren. Diese Kräfte spiegeln sich auch in den Zusagen wider, welche die Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention im Rahmen des Paris-Abkommens gemacht haben. Diese reichen bei weitem nicht aus, um die darin festgeschriebene und völkerrechtlich verbindliche 1,5- bis 2-Grad-Grenze der Erderhitzung einzuhalten.

 

Falsche Lösungen der grünen Ökonomie

Von den globalen Eliten werden nur Scheinlösungen vorangetrieben, wie die technokratischen Ansätze der sogenannten „Grünen Ökonomie“. Diese werden stark durch Konzerne gefördert, spielen ihnen in die Hände und erlauben letztendlich ein grüngewaschenes „Weiter wie bisher“. Darunter fallen etwa der Emissionshandel, die gefährlichen Technologien des Geoengineerings sowie als „klima-smart“ getarnte Landwirtschaft samt der Einführung von gentechnisch veränderten Pflanzen als Anpassungsstrategie an klimatische Veränderungen. Und schließlich wird vielfach sogar die gefährliche Atomenergie als “klimafreundlich” eingestuft.

All diesen Instrumenten gemein sind Marktfundamentalismus, die Finanzialisierung der Natur und blinde Technologiegläubigkeit sowie das Ausblenden von systeminhärenten Konflikten und Machtverhältnissen – statt auf verbindliche Obergrenzen und Regelungen sowie die tiefgreifende Transformation unserer Gesellschaften zu setzen. Die Wurzeln des Problems bleiben unangetastet. Anstatt die Funktionsweise des fossilen Energiesystems und der globalen Wirtschaft zu hinterfragen, soll durch Energieeffizienzmaßnahmen der Verbrauch von Strom, Öl, Gas und Kohle reduziert werden. Gleichzeitig macht der stetig steigende Energiebedarf all diese Effizienzeffekte wieder zunichte. Klimaschutz passiert nach der Marktlogik nur, sofern er profitabel ist, aber nicht als Selbstzweck im Sinne des Erhalts der Lebensgrundlagen der Menschheit und ihrer Umwelt.

 

Energiedemokratie als Gegenentwurf

Dem Streben nach Energiedemokratie liegt der Kampf um Klimagerechtigkeit zugrunde. Dabei handelt es sich nicht um die bloße Aufteilung von „Emissionsrechten“ eines globalen CO2-Budgets. Vielmehr geht es um einen grundlegenden Systemwandel und die Übernahme der Verantwortung für die Klimakrise durch die früh industrialisierten Länder des Globalen Nordens. Um ein gutes Leben für alle zu ermöglichen, bedarf es einer Reorganisation der Art und Weise wie wir wirtschaften. In diesem Zusammenhang setzt sich “System Change, not Climate Change!” für Energiedemokratie ein, also das Recht der Menschen, die Kontrolle über Erzeugung und Verteilung von Energie auszuüben und den sofortigen und entschlossenen Umstieg auf ein ökologisch und sozial verträgliches Energiesystem. Der Umbau des Energiesystems muss nach Kriterien erfolgen, die sich für „System Change, not Climate Change!“ grob in drei Säulen einteilen lassen:

 

  • Aufbau eines ökologischen Energiesystems.

Das derzeitige fossile Energiesystem muss so schnell wie möglich zu einem System mit hundert Prozent erneuerbaren Energien umgebaut werden. Unumgängliche Voraussetzung dafür ist die deutliche Reduktion des Energieverbrauchs der Länder des Globalen Nordens im Sinne der Suffizienz.

 

  • Demokratisierung des Energiesystems.

BürgerInnen müssen in umfassender und demokratischer Weise über die Gestaltung ihrer Energieversorgung mitbestimmen können. Struktur und Flexibilität der erneuerbaren Energien ermöglichen Teilhabe und Anpassung an regionale Gegebenheiten. Die sozial ökologische Transformation des Energiesystems bedarf einer weitgehenden Vergesellschaftung der Energieerzeugung und -verteilung und des Aufbaus alternativer Strukturen wie BürgerInnenkraftwerke, Energiegenossenschaften und demokratischer Stadtwerke.

 

  • Universeller Zugang zu Energie und sozial gerechte Transformation.

Ungerechte Verteilung von und verschwenderischer Umgang mit Energie müssen beendet und ein universeller Zugang zu Energieversorgung für alle Menschen sichergestellt werden. Die Transformation des Energiesystems darf allerdings nicht zulasten der in betroffenen Branchen Beschäftigten oder benachteiligter Bevölkerungsgruppen gehen.

 

Aufbau eines ökologischen Energiesystems

Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern muss so schnell wie möglich erfolgen. Sie sind die größten Treiber der Klimakrise und Ursache weiterer ökologischer Probleme, schaffen geopolitische Abhängigkeitsverhältnisse, verursachen Gesundheitsschäden und Millionen vorzeitige Tode jährlich. Die Technologien der erneuerbaren Energie dagegen sind Werkzeuge für die sozial-ökologische Transformation. Für den Aufbau eines Energiesystems mit hundert Prozent erneuerbarer Energie steht eine Vielfalt von bereits seit Jahrzehnten erprobten Technologien zur Verfügung: Photovoltaik, Solarthermie, Windkraft, Geothermie – und unter geeigneten Bedingungen Wasserkraft und Biomassenutzung – können, zusammen mit verschiedenen Speichertechnologien, die ebenfalls weiter erforscht und ausgebaut werden müssen, eine ganzjährig stabile Energieversorgung ermöglichen. Ein System aus erneuerbaren Energien kann im Vergleich zu einem fossilen sehr viel dezentraler aufgebaut werden. Zwischen Energieerzeugungs- und Verbraucheranlagen liegen dadurch oftmals geringe Übertragungswege. Durch Vielfalt und Skalierbarkeit können verschieden große Einheiten – für den Eigenbedarf eines Haushaltes bis zu Gemeinschaftsanlagen zur Versorgung von Gemeinden und Städten – bereitgestellt werden.

Diese Technologien sollen naturverträglich standortadäquat und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung eingesetzt werden, denn auch die Gewinnung von Energie aus erneuerbaren Quellen ist mit Eingriffen in Natur und Lebensräume verbunden.

Wo immer möglich, soll Energieinfrastruktur dort gebaut werden, wo sie die geringsten Auswirkungen auf die Umwelt und die lokale Bevölkerung hat und bestmöglich in bestehende Infrastruktur integriert werden kann: Photovoltaik- und Solarthermieanlagen auf Hausdächern vermeiden Eingriffe in die Natur, Standorte von Windkraftanlagen außerhalb des Sichtbereiches von Dörfern vermeiden Beeinträchtigung durch Lärm und Erscheinungsbild. Außerdem sind dem Ausbau von Anlagen für erneuerbare Energien auch durch knappe Rohstoffe wie Metalle und seltene Erden Grenzen gesetzt. Und schließlich müssen bei einer vermehrten energetischen Biomassenutzung mögliche Konflikte mit der Nahrungsmittelproduktion vor Ort und im Globalen Süden vermieden werden, da sie Ernährungssouveränität einschränken können.

 

Die notwendige Reduktion des Energieverbrauches

Die Frage nach der benötigten Energiemenge ist das Resultat eines gesellschaftspolitischen Diskurses, der planetare Grenzen und soziale Gerechtigkeit ins Zentrum stellen muss. Es braucht einen Bruch mit der derzeitigen Wirtschafts- und Lebensweise: Fossiler Individualverkehr kann durch raumplanerische Maßnahmen eingedämmt und durch öffentlichen Verkehr ersetzt werden, was gleichzeitig die Lebensqualität verbessert.

Die Sachgüterproduktion wird durch den Umbau von einer Wegwerf- zu einer Reparaturgesellschaft reduziert, regionales Wirtschaften trägt zu einer Verringerung des globalen Handels samt seinen schädlichen Auswirkungen bei. Eine nachhaltige Lebensweise verneint Konsumismus und stellt gemeinsame Nutzung vor den Besitz von Gütern. Bei konsequenter Umsetzung solcher Maßnahmen kann der Energieverbrauch in Ländern wie Österreich halbiert werden. Der Zubau von Anlagen erneuerbarer Energie kann dadurch in Bezug auf Ressourcenschonung, Umweltauswirkungen sowie in finanzieller und sozialer Hinsicht verträglich gestaltet werden.

 

Demokratisierung des Energiesystems

Regionalisierung und Dezentralisierung des Energiesystems fördern demokratisch gestaltete Entscheidungsprozesse, da die Größe der Anlagen selbst und ihre Auswirkungen überschaubar sind. BürgerInnen entscheiden über die Errichtung von Energieerzeugungsanlagen in ihrer Gemeinde, bestimmen die Investitions- und Preispolitik in Genossenschaften oder gestalten die sozial-ökologische Energiepolitik in einem partizipativen Stadtwerk mit.

Eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Energieversorgung erfordert eine weitgehende Vergesellschaftung der Energieerzeugung und -verteilung: Speziell große Energieversorger und Netzbetreiber sind vorzugsweise im öffentlichen Staats- oder Kommunalbesitz organisiert. Anzustreben sind zum Beispiel partizipative Stadtwerke, in denen demokratische und soziale Preisgestaltung, NutzerInnenreferenden zu strategischen Fragen und ein nach sozial-ökologischen Kriterien zusammengesetztes Kontrollgremium eine gemeinwohlorientierte Ausrichtung gewährleistet. Abzulehnen sind hingegen Unternehmensformen, die eine Mitbestimmung von BürgerInnen einschränken. BürgerInnenkraftwerke bieten der Bevölkerung die Möglichkeit Anteile zu erwerben. Solche Gemeinschaftsanlagen können auch in Form von Genossenschaften organisiert werden, die einer Gruppe Gleichgesinnter solidarisches Wirtschaften ermöglichen. Besonders nachhaltig sind kombinierte ErzeugerInnen- und VerbraucherInnengenossenschaften, da die Höhe des Energieverbrauchs von den GenossenschafterInnen selbst festgelegt und damit auf eine sozial- und umweltverträgliche Größe reduziert werden kann.

Die Skalierbarkeit der Anlagengröße ermöglicht den BürgerInnen, ihre benötigte Energie selbst zu produzieren. Die bisherige Zweiteilung in Energieproduktion und Energieverbrauch ist aufgehoben. EnergieverbraucherInnen produzieren selbst elektrische und thermische Energie auf ihren Hausdächern, Gemeinden installieren Anlagen auf öffentlichen Gebäuden, Plusenergiegebäude versorgen auch Häuser in der Nachbarschaft. Dadurch kann auch im verbauten Gebiet ein riesiges Potenzial genutzt werden, ohne zusätzlichen Flächenverbrauch im Grün- oder Ackerland. In Regionen mit bisher unzureichender Energieversorgung ermöglichen netzunabhängige Kleinstanlagen Zugang zu Elektrizität.

Energiedemokratie bedeutet aber auch institutionelle Strukturen wie zum Beispiel BürgerInnenräte aufzubauen, die politische EntscheidungsträgerInnen verpflichten, vorgeschlagene Maßnahmen nicht nur ernsthaft zu prüfen, sondern auch umzusetzen. Energiedemokratie reiht sich damit in soziale Bewegungen ein, die mehr Teilhabe an der Ausformung ihrer Lebensgrundlagen und der Gestaltung ihres Umfeldes einfordern, findet Verbündete und gewinnt dadurch an Unterstützung.

 

Universeller Zugang zu Energie

Der Zugang zu leistbarer Energie ist lebensnotwendig und somit als grundlegendes Menschenrecht zu verankern. Noch immer ist Energiearmut weltweit in verschiedenen Ausprägungen zu finden. 1,3 Milliarden Menschen im Globalen Süden haben keinen Zugang zu Elektrizität. Aber auch in reichen Industrieländern ist Energiearmut anzutreffen, speziell in den Städten, wo die von Energiearmut betroffene Bevölkerung überwiegend in Altbauten mit unzureichender Wärmedämmung und ineffektiver Heizung lebt und einen überproportionalen Anteil ihres Einkommens für Kochen, Heizen und Warmwasser ausgeben muss sowie in ihrer Mobilität eingeschränkt ist. Zielführende Maßnahmen zur Vermeidung von Energiearmut sind geförderte thermische Sanierungen, Gerätetausch und ein Verbot von Energieabschaltungen im Winter. Sozial gestaltete und gestaffelte Energietarife und Energieberatung für betroffene Haushalte sichern universellen Zugang zu Energie.

Im Bereich der Mobilität muss der öffentliche Verkehr umfassend ausgebaut werden – und durch eine soziale Preisgestaltung für alle BürgerInnen leistbar sein.

 

Investitionen in zukunftsfähige Energie

Viele wirkungsvolle Maßnahmen zur Reduktion des Energieverbrauches, sowie zur geforderten Transformation des Energiesystems, sind bekannt. Die notwendigen Investitionen bedürfen lediglich eines starken politischen Willens, um rasch und in erforderlichem Maß umgesetzt zu werden.

Der demokratisch organisierte, zügige Ausbau der erneuerbaren Energien und die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme, Mobilität und Speicher, sorgen für eine sichere und ausreichende Energieversorgung. Flächendeckende, nach ökologischen Kriterien durchgeführte thermische Sanierung im Gebäudesektor, mit sozial verträglicher Kostenübernahme, führt zur drastischen Verringerung des Energiebedarfs. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die Verlagerung von Gütertransporten und Kurzstreckenflügen auf die Schiene sowie der Ausbau von Radinfrastruktur ermöglichen den Umstieg auf nachhaltige Mobilität.

Diese Maßnahmen überwinden die vorherrschende Marktlogik, die sich über alle ökologischen Grenzen hinweg hemmungslos an begrenzten Ressourcen bedient und soziale Gerechtigkeit grob missachtet. Statt sich am Markt behaupten zu müssen, unterliegen diese zukunftsfähigen Maßnahmen vielmehr einer demokratischen Kontrolle, welche die sozial-ökologischen Grenzen wahrt. Kosten für Zukunftsinvestitionen müssen von allen Teilen der Gesellschaft solidarisch und den eigenen finanziellen Möglichkeiten entsprechend getragen werden.

 

Arbeit und sozial gerechte Transformation

Der Übergang zu einer solchen neuen Wirtschafts- und Lebensweise führt zu einem Umbruch in verschiedenen Branchen und einem insgesamt niedrigeren Bedarf an Lohnarbeit, wie sie heute definiert wird. Menschen, die in besonders betroffenen Branchen beschäftigt sind, muss ein zeitgerechter Umstieg in andere Berufe und Tätigkeitsfelder ermöglicht werden. Insgesamt müssen die wirtschaftlichen Entwicklungen mit einer radikalen Arbeitszeitverkürzung und einer grundlegenden Neudefinition und
-bewertung von Arbeit einhergehen. Besonders die Sorgearbeit muss gerechter verteilt und anerkannt werden.

 

Sozial-ökologische Steuerreform

Ökologisierung und soziale Gerechtigkeit müssen Hand in Hand gehen. Die nötigen Zukunftsinvestitionen, die Finanzierung der Bekämpfung von Energiearmut und die Maßnahmen in der Arbeitswelt erfordern eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Steuer- und Budgetpolitik. Die Maßnahmen werden über die Besteuerung von Vermögen und Finanztransaktionen finanziert, sowie über Ökosteuern und die Abschaffung von Steuerprivilegien und Subventionen für Kapitaleinkommen und Konzerne.

Höhere Steuern auf Energie und Rohstoffe können beispielsweise durch einen Ökobonus kompensiert werden. Sparsame Haushalte und Unternehmen, die ökologisch sinnvolle Umstrukturierungen durchführen, erfahren dadurch keine Mehrbelastung, sozial benachteiligte Haushalte sogar eine Einkommenssteigerung.

Wege zur Energiedemokratie

Die Transformation zu einem Energiesystem mit hundert Prozent erneuerbarer Energie muss Teil eines umfassenden Systemwandels sein. Es gilt, die zentralen Dogmen der herrschenden Wirtschaftsweise zu überwinden: Immer weiter übergreifende Liberalisierung muss gestoppt werden; kapitalistische Herrschaftsstrukturen lassen sich aufbrechen, indem wir die Energieproduktion vergesellschaften und Energie als Gemeingut und Menschenrecht verankern. Anstatt uns weiter technokratische Ansätze diktieren zu lassen, können wir die Energieversorgung demokratisieren und dezentral sowie vielfältig gestalten. Durch eine Orientierung der Energieproduktion an unseren Bedürfnissen und Suffizienzmaßnahmen überwinden wir den Zwang eines scheinbar notwendigen ewigen Wirtschaftswachstums.

Der Krise des Extraktivismus treten wir entgegen, indem wir fossile Energieträger im Boden lassen. Und durch De-Globalisierung und Re-Regionalisierung stellen wir uns gegen neokoloniale Ausbeutungsstrukturen und schaffen ein Klima für internationale Solidarität. Strategisch bedeutet das: Wir dürfen uns nicht von Fragen der Technik, der Ökonomie oder des Elite-Managements ablenken lassen. Die Transformation des Energiesystems ist politisch und damit ein hart umkämpftes Feld. Wir müssen Fragen der Macht ins Zentrum rücken, uns vor neoliberaler Vereinnahmung schützen und auch nicht auf von Konzernen dominierte Prozesse der Weltpolitik hoffen.

Die progressive Kraft liegt in Bewegungen von unten. Wir müssen jetzt handeln und das Konzept Energiedemokratie konkretisieren, mit Inhalten befüllen und schwierige Fragen stellen: Von der Finanzierung über Verwaltungsmodelle bis hin zur Umstellung der Industrie. Um die Unterstützung für die Bewegung für Energiedemokratie zu vergrößern und Spielräume auszuweiten, ist die Solidarität mit anderen Kämpfen und der Aufbau breiter Allianzen nötig. Im Konzept der Energiedemokratie steckt ein enormes Potenzial, um Veränderung konkret zu machen. Viele kleine Energiegenossenschaften treten der Macht der großen Energiekonzerne entgegen, Energieräte auf Gemeindeebene treiben die Rekommunalisierung und Demokratisierung des Energiesektors voran. Kämpfe auf oftmals lokaler oder regionaler Ebene setzen an der Wurzel der Probleme an und sind der Schlüssel dazu, die sozial-ökologische Transformation Realität werden zu lassen.

System Change, not Climate Change!
September 2018

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System Change-Positionspapier Energiedemokratie veröffentlicht
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