14. 3. 2017
Der Stopp der dritten Piste am Flughafen Wien sorgt auch noch mehr als einen Monat nach Veröffentlichung der Entscheidung für viele Diskussionen. Während neben System Change viele weitere Umweltorganisationen die positive Bedeutung des Erkenntnisses hervorstreichen, versuchen Flughafen, WirtschaftsvertreterInnen und weite Teile der Politik weiterhin, dieses als falsch und unrechtmäßig darzustellen. Eine Bestandsaufnahme.
Für „System Change, not Climate Change!“ stellt das Erkenntnis einen potenziellen Wendepunkt für den internationalen Klimaschutz dar. Zahlreiche internationale NGOs, UmweltjuristInnen und AktivistInnen schauen derzeit nach Österreich. Wie wir sehen auch sie die aktuellen Entwicklungen mit Besorgnis, denn sie zeigen, dass Politik und Wirtschaft dieses Urteil nicht akzeptieren. Dabei braucht es genau solche Entscheidungen, um die dringend nötige Wende hin zu klimafreundlicher und nachhaltiger Wirtschaft und Mobilität einzuleiten. Eine lebenswerte Zukunft und Umweltfragen dürfen nicht mehr zweitrangig gegenüber Wirtschaftsinteressen sein.
Die Entscheidung des Wiener Bundesverwaltungsgerichtes steht nicht alleine. Weltweit ist die Tendenz zu beobachten, dass immer mehr Gerichte für den Klimaschutz entscheiden, wo die Politik zuvor versagt hat. Das neueste Beispiel kommt aus Südafrika, wo der einem neuen Kohlekraftwerk vom Höchstgericht die Genehmigung untersagt wurde. Doch dort wie hier stehen immer mächtige Interessen hinter dem Bau solcher fossiler Infrastruktur.
Neben System Change hat sich hierzulande Global 2000 des Themas dritte Piste angenommen. In einer Aussendung schreibt die NGO richtig, dass die Kosten einer ungebremsten Klimakrise den wirtschaftlichen Nutzen von Flugverkehrswachstum übersteigen. „Die zu erwartenden Klimaschäden müssen in die Rechnung mit einbezogen werden, sonst stimmt das Gesamtbild nicht“, erklärt Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von Global 2000 und verweist auf die Studie COIN (Cost of Inaction), welche die wirtschaftlichen Klimafolgen einer globalen Erwärmung von 2 °C für Österreich untersucht. Demnach muss in Zukunft mit jährliche Schäden von bis zu 8,8 Mrd. Euro gerechnet werden.
Mächtige Allianz für den Ausbau
Der Flughafen Wien versuchte in einer eigenen Aussendung die Argumente von Global 2000 zu entkräften. So würden die CO2-Emissionen auch unabhängig vom Bau der dritten Piste in Wien in Zukunft zunehmen. Mit Sätzen wie „Die steigenden CO2-Emissionen werden an der Grenze Österreichs natürlich nicht Halt machen, sondern belasten auch die österreichische Klimaentwicklung“, gibt der Flughafen den Erklärungen von KlimaschützerInnen sogar Recht. „Mehr Flugangebote für den Tourismus- und Kongressstandort Wien und wichtige Wachstumsimpulse für die heimische Wirtschaft fallen ohne dritte Piste allerdings ersatzlos weg“, reichen für die Verantwortlichen aber anscheinend, um die entstehenden Probleme durch den Klimawandel aufzuwiegen.
Die Liste der UnterstützerInnen, auf die das Flughafen-Management zählen kann, ist lang – und mächtig. Die höchsten Kreise der SPÖ und ÖVP in Wien und Niederösterreich haben sich bereits als BefürworterInnen der dritten Piste deklariert.
Nun hat sich unter anderem Vizekanzler Mitterlehner erneut zur Angelegenheit geäußert und sagte gegenüber der „Presse“, das Verwaltungsgericht habe „unverhältnismäßig“ entschieden. Wenn man in jedem Einzelfall die Klimafolgen heranziehe, dürfte man „nicht einmal die Anschaffung eines neuen Autos oder einer neuen Kuh genehmigen“.
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl ließ an seiner Geringschätzung von Natur- und Umweltschutz wenig Zweifel als er am Aschermittwoch sagte, der Stopp für die dritte Piste durch “Acker, Natter und Geflatter“ sei fatal, schließlich handle es sich beim Flughafen Wien um das Infrastrukturprojekt Nummer Eins des Landes.
Es hat den Anschein, dass sich Teile der Medien bereitwillig für die Zwecke des Flughafens einspannen lassen. Teilweise mag die nicht immer ausgewogene Berichterstattung an den um ein Vielfaches größeren finanziellen Mitteln des Flughafens und seiner UnterstützerInnen liegen. Aber ein komplettes Abschreiben einer Flughafen-Presseaussendung durch eine niederösterreichische Zeitung erzeugt doch eine schiefe Optik.
Andererseits wird Stellungnahmen wie einem gemeinsamen Schreiben der wichtigsten KlimawissenschaftlerInnen Österreichs medial kein Platz eingeräumt. Die mehr als 70 renommierten WissenschaftlerInnen der AG KlimaSchutzRecht und des Klimaforschungsnetzwerks Österreich fordern „Klimaschutz künftig in der Großprojektplanung integrativ zu berücksichtigen und klare gesetzliche Rahmenbedingungen im Einklang mit den Pariser Klimazielen zu schaffen“.
Verantwortliche des Flughafens scheuen kein noch so weit hergeholtes Argument, um die „Gefahren“ des Urteils darzustellen – und versuchen die Politik unter Druck zu setzen. So werde laut Flughafen-Vorstand Ofner durch das Erkenntnis ein „Flächenbrand ausgelöst“. Behörden und Investoren seien wegen der Auswirkungen auf andere Projekte verunsichert und der Gesetzgeber müsse unbedingt Klarheit schaffen. Eine gefährliche Forderung: Denn implizit wird damit nichts anderes gefordert als die Aufweichung der jetzt schon unzureichenden Rechtssituation bei Umweltverträglichkeitsprüfungen. Solchen Forderungen gilt es unbedingt entgegenzutreten. Die Politik sollte die Angelegenheit vielmehr zum Anlass nehmen, um Ziele des Klima- und Umweltschutzes rechtlich stärker zu verankern und durch eindeutige Formulierungen auch für Planungssicherheit zu sorgen.
Bis 23. März hat der Flughafen noch Zeit, um eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof sowie eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof einzulegen. Wie schon mehrmals angekündigt, dürfte wohl von beiden Optionen Gebrauch gemacht werden. System Change wird weiterhin alles Mögliche dafür tun, um die Entscheidung zu unterstützen und die Chancen zu betonen, die in dieser liegen. Unsere Zukunft hängt auch davon ab, dass wir endlich umdenken: egal ob Gerichte, Politik, Wirtschaft oder jede und jeder Einzelne von uns.