Letzte Woche reisten Klimaaktivist*innen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum nach München, um dort gegen das Greenwashing-Festival der deutschen Automobilindustrie, die Internationale Automobilausstellung (IAA), zu protestieren. Auch System Change, not Climate Change! hat trotz massiven Einschüchterungsversuchen und Gewalt seitens der Polizei an den Protesten gegen die grünen Lügen von Industrie und Politik teilgenommen. – Ein Bericht.

Die neueste Auflage der IAA gibt sich dem Schein nach offen, bürger*innennah und grün. Das zeigt schon der neue Titel und das neue Format: IAA Mobility heißt sie nun und präsentiert sich mit sogenannten Open Spaces in der Münchner Innenstadt. Dass dafür jedoch zugunsten der Aussteller Fuß- und Radwege gesperrt werden, ist symptomatisch für eine Verkehrspolitik, die auf dem Kopf steht. Ebenso widersprüchlich ist die Ansage der Veranstalter*innen, die behaupten: „Der Dialog mit allen, auch mit den Kritikern, und die Suche nach einer guten gemeinsamen Lösung sind das Prinzip unserer Demokratie und Fundament für eine gesellschaftlich akzeptierte Transformation.“ Dem gegenüber steht Münchens größter Polizeieinsatz seit 20 Jahren: 4.500 Polizist*innen versuchen die ganze Woche über mit teils massiver Polizeigewalt und schikanösen Personenkontrollen, die Proteste zu verhindern; ergänzt werden sie von sogenannten Super-Recognisern, Helikoptern und einem Zeppelin mit Wärmebildkamera. – Dialogbereitschaft sieht anders aus.

Credit: Tim Wagner

Doch davon haben wir uns nicht einschüchtern lassen. Mit diversen Protestaktionen hat ein breites Bündnis an zivilgesellschaftlichen Gruppen die Greenwashing-Strategien der Automobilindustrie aufgezeigt und sich für eine klimagerechte Mobilitätswende eingesetzt. Auf der Theresienwiese fand ein Mobilitätswende-Camp statt, das die Behörden lange mit fadenscheinigen Begründungen zu verhindern versucht hatten. Über 1.000 Aktivist*innen, viele davon vom Bündnis Sand im Getriebe, starteten am Freitag von dort aus in Richtung Innenstadt und störten an verschiedenen Punkten das grüne Bild der Messe. Am Odeonsplatz und Wittelsbacherplatz blockierten sie stundenlang die Ausstellungsstände von Audi und Mercedes. Zuvor wurde ein Haus in der Karlsstraße besetzt, um auch Platz für bezahlbaren Wohnraum einzufordern, der in München ebenso Mangelware ist wie öffentlicher Raum für Menschen statt Autoverkehr. Dabei wurde die angemeldete Demonstration von der Polizei völlig grundlos mit Schlagstöcken und Pfefferspray attackiert. Eine Aktivistin, die auf einen Baum geklettert war, wurde von einem Polizisten gewaltsam heruntergerissen und schlug dabei mit dem Hinterkopf auf den Boden. Zuerst verweigerte die Polizei den Sanitätern sogar, die Person zu behandeln, zusätzlich nahm sie einen akkreditierten Journalisten drei Stunden lang in Polizeigewahrsam. Doch das waren nicht die einzigen Fälle, in denen die Polizei die Presse- und Versammlungsfreiheit mit den Füßen trat. Am Samstag ging die Polizei mit ähnlich überzogenen Mitteln gegen Teile der angemeldeten Großdemonstration vor, als dort zwei Aktivist*innen versuchten, zwischen zwei Bäumen ein Banner zu hissen. Schon am Dienstag hatten Aktivist*innen durch Protestaktionen an Autobahnbrücken für den Stillstand auf fünf Münchner Autobahnen gesorgt. Die Polizei machte daraufhin Einsatz von dem höchst umstrittenen bayerischen Polizeiaufgabengesetz und nahm die Personen bis Sonntag in Präventivhaft. Diese Liste ließe sich noch länger fortführen.

Warum Polizei und Politik rund um die Messe als Handlanger von Kapitalinteressen auftraten, zeigt ein Bild, das zu Beginn der IAA auf Twitter und Instagram kursierte. Es zeigt Markus Söder beim Staatsempfang der Cheflobbyisten der Autoindustrie – fast ausschließlich Männer – in der Residenz an einem feierlichen Bankett mit barocken Kerzenständern, überall glänzt Silber. Dieses Bild fasst den derzeitigen Stand der Verflechtungen der Politik und Deutschlands mächtigster Lobby perfekt zusammen. In diesem Kontext lässt sich auch die Eröffnungsrede von Noch-Kanzlerin Angela Merkel verstehen, die behauptet, die Autohersteller seien nicht per se Teil des Klimaproblems, sondern vor allem zentraler Teil der Lösung. Diese Aussage ist an Absurdität nicht zu überbieten: Jene profitgetriebene fossile Industrie, die die klimagerechte Mobilitätswende schon seit Jahrzehnten verzögert und nun für tonnenschwere Neuwagen mit grün angestrichenem Antrieb auch noch Milliarden an Steuergeldern als Subventionen einstreicht tut dem Klima so gut wie ein Schluck Schweröl der Gesundheit am Morgen.

Dabei liegen die Lösungen auf der Hand: Wir müssen neue fossile Großprojekte – wie auch die Lobau-Autobahn in Wien – durch die die Klimakrise in Beton gegossen wird, um jeden Preis verhindern und stattdessen massiv in öffentlichen Verkehr, Fahrradnetze und nachhaltige Raumnutzung investieren. Die IAA hat wieder einmal gezeigt, dass auf die Politik und Industrie dabei kein Verlass ist. Deshalb nehmen wir die klimagerechte Mobilitätswende, die auch hierzulande viel zu zögerlich vonstatten geht, selbst in die Hand! – Unterstütz uns bei unserem Protest gegen die geplante Lobau-Autobahn und Stadtstraße und komm zum Protestcamp in die Anfangsgasse! Abonnier für alle weiteren Infos z.B. den Telegram-Kanal Lobau bleibt https://t.me/Lobaubleibt Außerdem streich dir schon mal fett den 19.11. im Kalender an, denn da steht ein weiterer Aktionstag bevor!

PS: Das Protestcamp in München, das angesichts der gegebenen Situation mit vielen Hürden zu kämpfen hatte, ist noch dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Wenn du spenden willst, findest du hier alle Infos: https://www.betterplace.org/de/projects/97274-mobilitaetswende-camp-muenchen

System Change, not Climate Change! beteiligt sich trotz Polizeirepression an Protesten gegen IAA in München
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