Ausgeflogen!? Das Projekt der 3. Piste Wien-Schwechat
Es ist ein fast 20 Jahre altes und folgenreiches Projekt – die 3. Piste Wien-Schwechat. Dennoch weiß bisher kaum jemand davon. Die die Zeit drängt, der Bau könnte kurz bevorstehen.
Alles begann im Jahr 1998 mit einem „Masterplan“ für den Flughafenausbau. Wien brauche eine 3. Flugpiste, um dem Wachstum des Flugaufkommens gerecht zu werden, hieß es. Inzwischen weiß man durch eine neue TU-Studie: Es besteht kein Bedarf an der 3. Piste, es gibt ausreichend Kapazitätsreserven. Der geplante Ausbau soll das Flugaufkommen vielmehr ankurbeln undWien als relevante Drehscheibe am europäischen Markt durchsetzen. Transferflüge werden durch Anreize wie die hierzulande erlaubten Nacht-Starts und Landungen angelockt. Auch will Wien als „Air Cargo“ Flughafen mithalten – immer mehr Güter werden weltweit per Flugzeug transportiert.
3. Piste – Klimaschädlichstes Projekt Österreichs
Am Flughafen Wien würde eine 3. Piste gemäß der Flughafenprognosen zum erwarteten Flugwachstum den zwei- bis dreifachenAnstieg der CO2-Emissionen gegenüber 2003 verursachen. Werden die anderen klimaschädlichen Auswirkungen des Fliegensmit einberechnet (Rußpartikel, Stickoxide, Zirruswolken), so kommt man gar auf etwa 10 Millionen Tonnen klimawirksame Emissionen pro Jahr (B. Buschbeck, Neue Abschätzung). Zum Vergleich: Der gesamte österreichische Straßenverkehr produziert derzeit etwa 22 Millionen Tonnen pro Jahr. Der Flughafen Wien wäre damit gleich hinter der Voest der zweitgrößte Emittent in Österreich.
Im Jahr 2013 zählten die sechs Flughäfen Österreichs (Wien, Linz, Graz, Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt) zusammen rund 26,3 Millionen Passagiere. 84 % entfielen auf den Flughafen Wien-Schwechat. 90,7 % aller Flüge in Schwechat sind laut VCÖ Kurzstreckenflüge. Diese haben wegen des hohen Treibstoffbedarfs bei Start und Landung eine besonders schlechte Klimabilanz und könnten problemlos durch Zugverkehr ersetzt werden. Doch Appelle an individuelles Konsumverhalten reichen nicht aus, wenn die Rahmenbedingungen fehlen.
In Österreich ist der Transportsektor mit einem Anteil von 28 % der größte Verursacher von Treibhausgasen. LautVerkehrsclub Österreich (VCÖ)müssten die Emissionen in diesem Sektor im Vergleich zu 2013 um 76 % verringert werden, um die vereinbarten Klimaziele für das Jahr 2050 zu erreichen. Doch bisher fließen jährlich 4,7 Milliarden Euro Subventionen in umweltschädliche Bereiche, etwa die Hälfte davon in den Verkehrssektor. Etwa 500 Millionen werden dem Flugsektor geschenkt: Die Flughäfen sind grundsteuerbefreit, internationale Flugtickets sind mehrwertsteuerbefreit. Am meisten fällt jedoch ins Gewicht, dass Kerosin als einziger Treibstoff nicht besteuert wird – übrigens weltweit. Dass Fliegen billiger kommt als zum Beispiel Zugfahren ist also kein Zufall.
Wirtschaft und Arbeitsplätze: Das Totschlagargument hat ausgedient
Eine dritte Piste brauche es zwecks der Arbeitsplätze, heißt es häufig. Und: Flughäfen dienen der Wirtschaft der Region. Doch neue Studien (Nr. 1, Nr. 2) konnten keinen wahrnehmbaren Zusammenhang zwischen Wirtschaftlichkeit einer Region und Arbeitsplätzen und dem Standort Flughafen nachweisen. Vor allem Regionalflughäfen sind selten wirtschaftlich und können nur mittels staatlicher Betriebsbeihilfen überleben. In der EU treiben 42 % der Flughäfen Verluste ein, bei Regionalflughäfen ist es sogar die große Mehrheit.
Zuguterletzt ist es wichtig, die Frage nach der Art der Arbeit zu stellen: Sollte nicht endlich damit begonnen werden, Arbeitsplätze von zerstörerischen in zukunftsfähige Wirtschaftsbereiche wie Bahnverkehr, ökologische Landwirtschaft, Erziehung oder erneuerbare Energien umzulenken? Selbstverständlich ist wichtig, dass nicht einfach Arbeitsplätze abgebaut werden sondern ein sozial gerechter Übergang stattfindet.
Mehr Lärm, mehr Asphalt
Der Plan einer 3. Piste hatte von Anfang an Unmut bei den Betroffenen von Fluglärm hervorgerufen. Der Flughafen liegt verglichen mit anderen Großstädten sehr nahe an den Ballungszentren. Die geplante 3. Flugbahn ist so ausgerichtet, dass die Flüge noch mehr als zuvor direkt über den am dichtest besiedelten Ballungsraum Österreichs geleitet würden. In Liesing hätte das laut Bürger*inneninitiativen beispielsweise dreimal so viele Überflüge als jetzt zur Folge. Auch in Favoriten, Hietzing, Penzing, Simmering und im Naherholungsgebiet Wienerwald würde es lauter werden.
Mehrere Landwirt*innen sehen ihre Ackerflächen bedroht oder mussten diese schon verkaufen. Der gesamte Ausbau würde rund 760 Hektar Fläche in Anspruch nehmen, darunter landwirtschaftliche Flächen, Wald und biodiversitätsreiche Trockenrasenflächen. Knapp 200 Hektar müssten für Landebahn und Rollwege mit Beton und Asphalt versiegelt werden – das entspricht achtmal der Wiener Ringstraße.
Ein Auf und Ab um die 3. Piste
Über 1000 Einwendungen wurden bisher von Anrainer*innen eingereicht. Aufgrund des zähen Widerstands fand von 2001 bis 2005 ein vom Flughafen initiiertes Mediationsverfahren statt. Doch wenn Zwerge mit Riesen sprechen, ist eine gleiche Augenhöhe schwierig. Diejenigen Bürger*inneninitiativen, die nicht am Verfahren teilnahmen oder es aus Protest verließen, sehen das Ergebnis als faulen Kompromiss, der auf die öffentliche Legitimation der 3. Piste hinauslief und die Aufmüpfigen per Vertrag zum Schweigen verpflichtete.
Die Flughafen Wien AG (FWAG) ist einer der wenigen börsennotierten Flughafenbetreiber Europas. 38 % gehören inzwischen der Tochterfirma eines australischen Pensionsfonds, 20 % der Stadt Wien, weitere 20 % dem Land Niederösterreich und 10 % der flughafeneigenen Mitarbeiterstiftung. Aktionär*innen wollen bekanntlich Dividenden – die 3. Piste verspricht Wachstum. Andererseits wäre das Projekt nicht billig, die Wirtschaftlichkeit der 3. Piste wird daher in Frage gestellt. Schätzungen gehen von einer bis – wahrscheinlicher – drei Milliarden Euros für Flugbahn und Begleitprojekte wie Rollflächen und Neutrassierung der B10 aus.
Trotz des erbitterten juristischen Kampfes fiel im Jahr 2012 die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) in der ersten Instanz, der niederösterreichischen Landesregierung, positiv aus. Kein Wunder, Niederösterreich genehmigte sich schließlich selbst das Projekt. Trotz vielzähliger Mängel im Verfahren. So wurde beispielsweise „übersehen“, dass auch Treibhausgasemissionen ein Umweltfaktor sind und somit nicht aus der UVP ausgespart sein dürfen. Auf die 1. Instanz folgten zahlreiche Beschwerden, Gutachten und Gegengutachten. Nun wird der Bescheid der 2. Instanz (Bundesverwaltungsgericht) jederzeit erwartet. Trotz voraussichtlich folgender 3. Instanz steht dem Baubeginn dann nichts mehr im Weg.
…außer, der politische Druck wächst. Sag darum Nein! zur 3. Piste und werde dagegen aktiv!