Grünes Fliegen – gibt es das?

Am 30. November fand die vorletzte Veranstaltung der Reihe “Kämpfe ums Klima! Brennpunkte des sozial-ökologischen Wandels” mit dem Titel “Grünes Fliegen – gibt es das?” statt. Eingeladen waren Vertreter*innen aus Politik (Lebensministerium), Wissenschaft (WU Wien), Wirtschaft (Austrian Airlines) und Zivilgesellschaft (Finance & Trade Watch).

Es ist kein Geheimnis, dass Fliegen aus ökologischer Sicht höchst problematisch ist. Denn Flugzeuge stoßen Treibhausgase wie CO2 aus – allerdings in größeren Mengen als Autos oder der Bahnverkehr. „Fliegen ist etwa 18-mal so schädlich, wie dieselbe Strecke mit der Bahn zurück zu legen“, veranschaulichte Mira Kapfinger von „System Change, not Climate Change“ die Belastung. Doch die Luftfahrt möchte, wie jeder Industriezweig, weiterwachsen. Die UN-Sonderkommission für Luftfahrt ICAO (International Civil Aviation Organisation) prophezeit einen drei- bis siebenfachen Anstieg der Emissionen durch Luftfahrt bis 2050.[1] Zeit also, sich die Frage zu stellen, ob grünes Fliegen möglich ist.

v.l.n.r Jakob Wiesbauer-Lenz (BMLFUW), Sofia Rohner (Austrian Airlines), Christoph Görg (Moderation; IFF), Magdalena Heuwieser Finance & Trade Watch), Sigrid Stagl (WU Wien)

 

Die Pläne der Luftfahrt.

Die internationalen Luftfahrt- und Schifffahrtsemissionen sind die einzigen Sektoren, die nicht im Pariser Klimaabkommen explizit enthalten sind. Die Luftfahrtemissionen wurden nicht über die UN-Klimarahmenkonvention geregelt, sondern von der ICAO selbst bestimmt. Ihre Zielsetzung lautet „nachhaltiges Wachstum für zivilen Luftverkehr zu fördern“. In den nächsten zwanzig Jahren solle sich die Zahl der geflogenen Personenkilometer verdoppeln, gab Kapfinger zu Bedenken. „Auch die Schifffahrt ist zu vergleichen mit dem Fliegen“, meinte Jakob Wiesbauer-Lenz vom Umweltministerium. Der Bereich sei zwar für Österreich nicht so relevant, aber auch in diesem Industriezweig sei mit starkem Wachstum zu rechnen.

Sofia Rohner von Austrian Airlines nannte drei konkrete Zielsetzungen der Luftfahrt, um die Emissionen zu senken: „Die Treibstoffeffizienz soll vorerst bis 2020 um 1,5 % jährlich gesteigert werden, das wurde innerhalb der IATA, dem internationalen Airlineverband, beschlossen.“ Als zweites Ziel, welches mit dem internationalen Luftfahrtabkommen CORSIA zusammenhänge, nannte sie das CO2-neutrale Wachstum ab 2020, und schließlich sollen bis 2050 die netto-CO2-Emissionen gegenüber dem Jahr 2005 um 50 Prozent sinken. Das dritte Ziel sah Rohner als das Ambitionierteste. Erreicht werden sollen die Ziele durch die sogenannte 4-Säulen-Strategie der IATA: der technologische Fortschritt, operationelle Maßnahmen, eine effizientere Infrastruktur und wirtschaftliche Instrumente. Unter Letzteres fällt zum einen der Emissionshandel und zum anderen eben CORSIA. Aber worum handelt es sich eigentlich bei diesem Abkommen?

CORSIA – ein internationales Luftfahrtabkommen.

Im Oktober 2016 beschloss die UNO-Staatengemeinschaft ein globales Klimaabkommen für die Luftfahrt. Die UN-Luftfahrtorganisation wollte damit die Bedeutung des Pariser Klimaabkommens für den Luftverkehr nach eigener Aussage verdeutlichen. Mit dem System CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) soll ab 2020 klimafreundliches Wachstum der Luftfahrt garantiert werden.[2] Die Pläne stützen sich auf technologische Innovationen, bessere Betriebsabläufe, alternative Treibstoffe und ganz zentral Emissionskompensationen, also Einsparungen an anderen Stellen. Rohner nannte das Abkommen einen „Meilenstein in der Luftfahrtindustrie.“ Es sei das erste internationale Abkommen zum Klimaschutz, welches sich an einen speziellen Industriezweig adressiere und wo sich 191 Mitgliedsstaaten auf ein gemeinsames Ziel und einen Maßnahmenplan geeinigt hätten. „Nicht mit den gleichen Zielsetzungen wie das Klimaabkommen in Paris“, räumte sie ein. Allerdings habe man technisch schon ausgearbeitet, wie die Zielsetzungen erreicht werden können, was beim Pariser Klimaabkommen nicht der Fall sei. Besonders der zentrale Punkt der Emissionskompensationen wurde innerhalb des Vorlesungssaals aber sehr kritisch gesehen.

Das Geschäft mit den Emissionsgutschriften.

Passend zum Thema: Die neue Broschüre von Finance & Trade Watch

Emissionskompensationen basieren hauptsächlich auf Emissionsrechtehandel, der zu den marktwirtschaftlichen Instrumenten der Umweltpolitik zählt. Der Gedanke dahinter ist, dass sich Unternehmen Lizenzen kaufen, die dann zum Ausstoß einer bestimmten Menge berechtigen. Problematisch daran ist unter anderem, dass die Gutschriften sehr billig sind, eine Tonne CO2 „kostet“ nur wenige Euro, nachdem der Preis in den letzten Jahren stark gesunken ist. Das niedrige Preisniveau ist möglich, weil im EU-Emissionshandel etwa zwei Milliarden Lizenzen zu viel im Umlauf sind.[3] „Die Industrie darf weiterwachsen, weiter Kerosin verbrennen, wenn sie sich billige Lizenzen zum Verschmutzen kaufen“, kritisierte Magdalena Heuwieser, die für Finance und Trade Watch am Podium saß, scharf.

Diese Lizenzen oder Gutschriften würden von Kompensations- oder Offset-Projekten verkauft werden, die zum großen Teil in Ländern des globalen Südens liegen: „Das kann zum Beispiel ein Kohlekraftwerk sein, dass sich einen Filter einbaut und dann weniger schmutzig ist.“ Heuwiesers Meinung nach lenke das allerdings von den notwendigen Schritten ab, „außerdem ist es aus menschenrechtlicher Sicht problematisch.“ Viele Kompensationsprojekte würden vor Ort Probleme für die lokale Bevölkerung verursachen, sie nannte in dem Zusammenhang beispielsweise Landgrabbing, beispielsweise für Waldprojekte, bei denen der lokalen Bevölkerung verboten werde, Brennholz zum Kochen zu entnehmen. Im Rahmen dieser Projekte seien oft indigene Rechte verletzt worden und man schiebe den schwarzen Peter kleinen Gemeinden im globalen Süden zu. Damit beschränke man Menschen, die einen geringen ökologischen Fußabdruck und kaum historische Verantwortung haben, statt große Emittenten zur Verantwortung zu ziehen.

Der Preis des Fliegens.

Zwei ökonomische Instrumente, die ebenfalls diskutiert wurden, sind der Preis und die Information der KonsumentInnen. „Selbst diese zwei simplen Instrumente versagen bei der Luftfahrt fundamental“, fand Sigrid Stagl, Professorin für ökologische Ökonomie an der WU Wien. Im Publikum gab es einige aufgeregte Wortmeldungen zu den Dumping-Preisen des Fliegens: „Wieso kostet ein Flug von Wien nach Berlin und zurück 50 €, während man für ein Bahnticket das Vierfache bezahlt?“ Eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) legte jüngst offen, dass der durchschnittliche Ticketpreis für Europaflüge im Sommer 2017 auf einen historischen Tiefstand gesunken war. Dies sei durch den billigen Kerosinpreis und einen starken Wettbewerb zu erklären.[4] „Kooperationen mit der Bahn einzugehen wäre zukunftsfähiges Wirtschaften“, plädierte Stagl. Laut der Professorin sei es keine Lösung, „nur“ effizienter zu produzieren. Denn wenn die Effizienz um 3,5 Prozent steige und das Wachstum gleichzeitig um vier Prozent, dann werde der CO2-Ausstoß noch immer größer. Rohner verwies auf eine Kooperation der Austrian Airlines mit der ÖBB, die sich myAustrian AIRail nennt, und den Hauptbahnhof Linz direkt mit dem Wiener Flughafen verbindet.[5]

Die Frage, ob grünes Fliegen möglich ist, kann nur mit Blick in die Zukunft beantwortet werden. Es ist sowohl eine technische, als auch eine politische und ökonomische Frage, wie in der Vorlesung deutlich wurde. Bei dem derzeitigen Stand technologischer Entwicklungen fasste Heuwieser allerdings zusammen: „Die einzige Lösung ist die Beschränkung der Luftfahrt.“

Video der Podiumsdiskussion:


Sarah Nägele ist freie Journalistin. Sie arbeitet im GBW-Redaktionsteam. Der Artikel wurde ursprünglich veröffentlicht auf: http://gbw.at/oesterreich/artikelansicht/beitrag/gruenes-fliegen-gibt-es-das/ 

Quellen:

[1] https://drittepiste.org/gruenes-fliegen-gibt-es-nicht/

[2] https://www.bdl.aero/de/presse/pressemitteilungen/2016/163/

[3] http://www.klimaretter.info/wirtschaft/nachricht/20613-klimagas-zertifikate-auf-ramschniveau

[4] http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-10/flugtickets-preise-deutschland-europa

[5] https://www.austrian.com/Info/Book/AIRail.aspx?cc=AT

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