23. 5. 2018

Klima-Enquete: Der Höhepunkt der Schein-Partizipation

System Change, not Climate Change berichtet, was hinter den verschlossenen Türen der Parlamentarischen Enquete zur Klimastrategie der Bundesregierung besprochen wurde.

“System Change, not Climate Change” war eingeladen, eineN VertreterIn zur parlamentarischen Enquete zur Klima- und Energiestrategie der Regierung zu schicken. Eine von 240 Personen aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Interessenvertretungen und NGOs, die sich an der Enquete beteiligen durften, war unsere Aktivistin Laura Grossmann.

Die Enquete war öffentlich zugänglich (über die Tribüne) Ton- und Bildaufzeichnungen waren allerdings verboten. Es gab auch keinen Livestream, wie auf anderen Enqueten. Damit lief auch dieser Teil der Konsultation zur Klimastrategie, wie schon die runden Tische und die Kommentarmöglichkeit auf der Website der „Mission 2030“, praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab.

Es gab drei Panels zu den Themen “Das Ende des fossilen Zeitalters hat begonnen”, “Mobilität.neu.denken – Notwendige Weichenstellungen im Sektor Verkehr” und “Zukunftsweisende Maßnahmen im Sektor Gebäude”, für die jede Parlamentspartei je eineN ExpertIn nominieren durfte. JedeR davon, hatte fünf Minuten Redezeit. Danach bestand die Möglichkeit für die rund 240 geladenen VertreterInnen von Stakeholder-Gruppen je zweiminütige Redebeiträge abzugeben. Die geladenen Gäste waren VertreterInnen aller Parteien, von NGOs (Greenpeace, Global2000, etc.), Interessenvertretungen (AK, Energieverbände, ÖAMTC, Radlobby, etc.), sowie einige WissenschaftlerInnen.

In der Diskussion zum Thema “Das Ende des fossilen Zeitalters hat begonnen” erhob Laura Grossmann für System Change, not Climate Change ihre Stimme für Klimagerechtigkeit. Der gesamte Redebeitrag ist unten nachzulesen.

 

Hier einige Highlights und Eindrücke aus dem Plenarsaal:

Kritik in zwei Minuten?
Aufgrund der hohen TeilnehmerInnenzahl wurde die Zeit pro Redebeitrag auf zwei Minuten begrenzt. Es ist unmöglich, in zwei Minuten einen fundierten, wertvollen, inhaltlichen Beitrag zu leisten. Dass das der Höhepunkt der Partizipation sein soll, kann nur belächelt werden.

Wo sind die Frauen?
Im Themenblock “Das Ende des fossilen Zeitalters hat begonnen” waren vier Männer und eine Frau auf dem ExpertInnen-Panel. 30 Redebeiträge wurden zugelassen, nur fünf davon waren von Frauen (SPÖ, Grüne, WWF und „System Change, not Climate Change!“). Dies zeigt wieder einmal, wie ungleich Männer und Frauen in unserem System behandelt und miteinbezogen werden.

Sexismus im Parlament
Während des Beitrags unserer Aktivistin kommentierte ein Kabinettsmitarbeiter von Bundesministerin Köstinger zu einer Sitznachbarin “Sie ist eh hübsch”. Dass ein Mitglied einer Regierungspartei einen inhaltlichen Beitrag einer Aktivistin in einer parlamentarischen Sitzung so abwertet und zu verniedlicht, zeigt wieder einmal, wie tief Sexismus in unserer Gesellschaft verankert ist.

Das Eröffnungsstatement von BM Köstinger
BM Köstinger verbrachte mehrere Minuten damit, zu erzählen, dass sie einen landwirtschaftlichen Hintergrund hat, und wie sehr sie sich dafür einsetze, dass die österreichischen BäuerInnen nicht unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden. Das ist gut und wichtig, aber ändert leider nichts daran, dass diese Auswirkungen schon da sind.
Ein schönes Lippenbekenntnis, das aber leider nichts bedeutet, weil es in krassem Widerspruch zu einigen Punkten in der Klimastrategie steht: “Die beste Energie ist die, die wir nicht brauchen”.

Das Eröffnungsstatement von BM Hofer
Verkehrsminister Hofer erzählte von einem E-Autorennen, an dem er teilgenommen hatte und betonte, dass die Geschwindigkeit, mit der wir Autofahren, nicht so wichtig sei. Obwohl er derjenige ist, der eine Erhöhung des Tempolimits auf 140 km/h fordert. Diese Maßnahme würde zu einer 10%igen Steigerung der CO2-Ausstöße, im Vergleich zu 130km/h führen (http://orf.at/stories/2438761/2438649/).

Die Keynote von Dr. Luderer von Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
Der deutsche Klimaforscher betonte, dass die Klimastrategie zwar in die richtige Richtung gehe, in allen Bereichen allerdings zu kurz reiche, um selbst die Paris-Ziele zu erreichen. Außerdem brauche es fixe, messbare Ziele.
Angeblich wäre ein österreichsicher Experte an seiner Stelle eingeladen gewesen, der aber, aufgrund seiner offenen kritischen Haltung, wieder ausgeladen worden war.

NGO-Bashing im Parlament
Einige Redebeiträge drehten sich darum, dass vor allem mehrere NGOs die Klima- und Energiestrategie stark kritisierten. Anstatt auf diese Kritik einzugehen, wurden die NGOs von mehreren PolitikerInnen der Regierungsparteien direkt angegriffen.
Der Energiesprecher des ÖVP Parlamentsclub, zum Beispiel sagte dazu: “Wir machen diese Strategie nicht für NGOs, sondern für Bürgerinnen und Bürger”.
Ein anderer Redner klagte an, NGOs seien aus Prinzip gegen alles, um Mitglieder werben zu können.

Viele Menschen sind dankbar für Kritik
Es gab einige wenige offen kritische Redebeiträge. Der offensivste davon war jener unserer Aktivistin. Er wurde, wie schon vor einer Woche am Austrian World Summit, mit viel Applaus begegnet. Auch nach der Veranstaltung sprachen viele Teilnehmenden ihren Respekt und Dankbarkeit aus. Auch wenn klar ist, dass in diesem Rahmen unsere Kritik nicht übernommen wird, bringt es andern Teilnehmenden Motivation und Antrieb, auch ihren eigenen Protest aufrecht zu erhalten.

 

 

Der Redebeitrag von System Change, not Climate Change im Wortlaut:

Guten Tag, ich bin hier als Vertreterin von „System Change, not Climate Change!“ Österreich.

Als wir die Einladung zu dieser Enquete bekommen haben, haben wir uns ernsthaft überlegt, ob wir uns überhaupt daran beteiligen wollen. Erstens, weil die Klimastrategie so vage und katastrophal ist und zweitens, weil der Partizipationsprozess so lächerlich war und ist, wenn ich hier am “Höhepunkt” der Konsultation zwei Minuten lang sprechen kann.

Inzwei Minuten kann man nicht viel Inhaltliches sagen. Aber wenn Frau Ministerin Köstinger und Herr Minister Hofer wirklich Interesse haben, sich die Meinungen von ExpertInnen anzuhören, und unsere inhaltliche Kritik zu hören, wissen Sie ohnehin, wohin Sie sich wenden können. 

Stattdessen möchte ich einen Appell an Sie alle aussprechen – und der lautet: Seien Sie mutig!

Die Aktion meiner Kollegin am Austrian World Summit hat gezeigt, dass die Bevölkerung Mut schätzt, dass es Motivation gibt, zu sehen, dass Menschen ihre Meinung sagen.

Um die drastischen Änderung in unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem umzusetzen, die es braucht, um eine sozial-ökologische Transformation zu bewirken, müssen wir alle an einem Strang ziehen.

Wir, die Zivilgesellschaft, werden auf der Straße, in den Schulen und Lokalen unseren Teil dazu beitragen. Wir werden mutig sein und Zivilcourage zeigen. 

Und Sie hier im Parlament müssen hier drinnen Mut zeigen. Mut und “Parlaments-Courage”, wenn sie so wollen.

Denn die Lösungen, die wir brauchen, sind keine (primär) technischen. Oder wissenschaftlichen. Von denen gibt es zur Genüge! Zum Glück. Danke an dieser Stelle alle jenen, die an der Entwicklung solcher Lösungen tagtäglich arbeiten.

Aber was es wirklich braucht, sind politische Lösungen!

Die Geschichte zeigt uns, dass noch jede transformative Bewegung in der Geschichte von der Zivilgesellschaft ausging. Die Mächtigen, sei es in der Politik oder in der Wirtschaft, haben am Ende immer den Kürzeren gezogen. 

Seien Sie mutig und stehen Sie nicht auf der falschen Seite der Geschichte!

Klima-Enquete: Der Höhepunkt der Schein-Partizipation
System Change, not Climate Change!