“System Change, not Climate Change!” setzt sich für echte und solidarische Lösungen für die globale Klimakrise und einen sozial-ökologischen Wandel ein. Entsprechend kritisch sehen wir auch die (klima)politischen Strategien und Pläne der allermeisten Parteien und Politiker*innen, egal ob in Österreich oder in anderen Ländern. Doch die wahrscheinliche kommende Bundesregierung aus ÖVP und FPÖ steht nicht nur für ein “Weiter wie bisher” – sie wird der Klimagerechtigkeit wie wir sie fordern aktiv entgegenstehen. Warum wir uns dessen sicher sind, haben wir in sieben Punkten zusammengefasst.
Sieben Gründe, warum eine schwarz-blaue Regierung Klimagerechtigkeit entgegensteht
1. Weil ÖVP und FPÖ rückschrittliche Klimapolitik ankündigen und die dritte Piste wollen
Die Volkspartei forderte schon in ihrem Wahlprogramm „grünes Licht für schnellen Start von Großprojekten“. Während der Koalitionsverhandlungen kündigten ÖVP und FPÖ ihre Unterstützung für die dritte Piste am Flughafen Wien-Schwechat und eine “Beschleunigung von Prüfverfahren bei Infrastrukturprojekten” an. Sie tanzen damit nach der Pfeife von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung, die sich leichtere und schnellere Baugenehmigungen für klimaschädliche Projekte wie die dritte Piste und den Lobautunnel wünschen. Und das, obwohl schon jetzt nur etwa vier Prozent der Umweltverträglichkeitsprüfungen am Ende keine Genehmigung bringen. Fossile Lock-ins, also weitere große Investitionen in klimaschädliche Infrastruktur, und eine Zunahme der Bodenversiegelung werden die Folge dieser Politik sein. Zudem werden die Rechte von Anrainer*innen geschwächt.
In ihrem Programm forderte die FPÖ als Reaktion auf den Abgasskandal eine Nutzungsgarantie für Dieselfahrzeuge bis 2050 sowie eine Abschaffung der Normverbrauchsabgabe (NoVA) bei KFZ-Neuzulassungen. Umweltschädliche Kaufanreize und ineffiziente Individualmobilität – zu der sich die KoalitionsverhandlerInnen bekennen – werden damit noch weiter verstärkt. Das Wort Klimaschutz kam im FPÖ-Wahlprogramm überhaupt nicht vor. Die kürzlich von beiden Parteien vorgestellten Pläne im Umweltbereich beinhalten nicht viel mehr als nette Überschriften, konkrete Inhalte fehlen.
2. Weil beide Parteien auch bisher schon klimaschädliche Politik gemacht haben
Ein Blick auf nackte Zahlen reicht, um zu beweisen, dass die Zeit der letzten Koalition zwischen ÖVP und FPÖ ein großer Rückschlag für den Umwelt- und Klimaschutz in Österreich war. Ab 2000 stiegen die Treibhausgasemissionen Österreichs stetig an, 2005 war nach den Zahlen des Umweltbundesamtes das Jahr mit dem höchsten Ausstoß überhaupt. In der letzten Legislaturperiode wurde mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ die Halbierung der Flugticketabgabe beschlossen und damit die klimaschädlichste Art zu reisen verbilligt – die FPÖ forderte sogar die völlige Abschaffung.
Im schwarz-blau regierten Oberösterreich wurden 2017 die Landesziele für den Ausbau erneuerbarer Energie massiv verwässert. Das alte Ziel, Raumwärme und Strom bis 2030 gänzlich aus erneuerbaren Quellen bereitzustellen, wurde durch relative – von der Wirtschaftsleistung abhängige – Ziele und Energieeffizienz ersetzt.
3. Weil Demokratieabbau unsere Grundrechte schwächt
Mit einer schwarz-blauen Bundesregierung droht massiver Abbau demokratischer Grundrechte, besonders mit einem FPÖ-Innenministerium. Im schwarz-blau regierten Graz haben Aktivist*innen – unter anderem solche, die gegen das Murkraftwerk aufstehen – bereits mit Repressionen und Diffamierungen zu kämpfen. Bundesweit geben die Einschränkungen des Versammlungsrechts, das Verhüllungsverbot und der Ausbau von Überwachung, wie sie unter dem ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka durchgesetzt wurden, einen Vorgeschmack auf das, was uns unter Schwarz-Blau bevorsteht. Mit der Bekämpfung von Gewerkschaften und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen wird Schwarz-Blau versuchen emanzipatorische Bewegungen zu schwächen und damit auch wirkliche Lösungen der Klimakrise verhindern.
Eine Regierungsbeteiligung der FPÖ bedeutet eine gefährliche Normalisierung von Rechtsextremismus. Die FPÖ wird geführt von Mitgliedern deutschnationaler Burschenschaften, die sich nie von der Tradition des Nationalsozialismus gelöst haben*. Völkische Ideologien, rassistische Hetze und die daraus folgende Gewalt sind eine besondere Gefahr für Zivilgesellschaft und Demokratie. Klimagerechtigkeit kann es nur in einer offenen und solidarischen Gesellschaft geben.
* Details und Belege: Stille Machtergreifung – Hofer, Strache und die Burschenschaften, Hans-Henning Scharsach
4. Weil ÖVP und FPÖ Klimawandelleugner*innen in ihren Reihen haben
Besonders rechte und rechtsextreme Parteien stellen sich dem Klimaschutz entgegen und bezweifeln den menschengemachten Klimawandel. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache stellt wiederholt wissenschaftliche Fakten zur derzeitigen globalen Erwärmung in Frage und relativiert diese als natürliche Klimaschwankung – hauptverantwortlich seien „Sonneneruptionen“, die tatsächlich mit der seit mehreren Jahrzehnten zunehmenden Klimaerhitzung nichts zu tun haben. Klimawandelleugnung hat in der FPÖ Tradition, auch die ehemalige FPÖ-Umweltsprecherin Susanne Winter bezeichnete den Klimawandel als „einziges mediales Lügengebäude, das zum Einsturz gebracht werden muss“. FPÖ-Vizechef Norbert Hofer zeigte seinen Hang zu ähnlichen Verschwörungstheorien als er 2007 eine parlamentarische Anfrage zu Chemtrails stellte. Der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner bezweifelt den “Anteil, den der Mensch am Klimawandel hat” und beschwerte sich, dass Klimaschutzauflagen ihm “auf den Keks” gehen würden. Er befürchtet dadurch eine “Entindustrialisierung der Welt und von Oberösterreich”. ÖVP-Wissenschaftssprecher Rudolf Taschner erklärt die Klimakrise ebenfalls für „abgesagt“ und bezeichnet den Klimawandel als „Scheinproblem“, dabei bezieht er sich auf pseudowissenschaftliche Texte, die auch in rechtsextremen Kreisen kursieren.
5. Weil es Solidarität mit Menschen auf der Flucht vor Klimakatastrophen braucht
Bis 2050 könnten Katastropen in Folge des Klimawandels etwa 250 Millionen Menschen zur Flucht zwingen. Die Wahrscheinlichkeit, von Stürmen, Tsunamis, Dürren, etc. betroffen zu sein, stieg um 60 Prozent innerhalb der letzten 40 Jahre; der Meeresspiegel wird bis zum Ende des Jahrhunderts um 0,8 Meter steigen. Betroffen sind vor allem Menschen aus dem globalen Süden, die am wenigsten zur Klimakrise beitragen.
Die Kopplung von EZA-Geldern – die zur Armutsbekämpfung dienen – an die Rückführung von Geflüchteten wurde auf Drängen von Sebastian Kurz bereits durchgesetzt und soll weiter verschärft werden; die FPÖ plädiert gegen die Anerkennung von Klimawandelfolgen als Asylgrund.
Menschen, deren Lebensgrundlage aufgrund der Klimakrise verlorengeht, müssen ein Recht auf Asyl haben!
6. Weil Gerechtigkeit nicht nur eine Floskel sein darf
„Neue Gerechtigkeit und Verantwortung“ schmückte als Untertitel das Wahlprogramm der ÖVP, dabei ließen sich die Pläne von Schwarz-Blau viel glaubwürdiger mit „Sozialabbau und Diskriminierung“ übersetzen. Die geplanten Kürzungen der Sozialleistungen verweisen deutlich auf die Ausweitung ungerechter Sozialpolitik entgegen jeglicher Stabilisierung der Gesellschaft.
Auch Pläne beider Parteien in der Frauenpolitik entpuppen sich eher als eine christlich-konservative Familienpolitik, die patriarchale Machtstrukturen stärkt und die Rechte von Frauen, Homo-, Bi-, Trans-, und Intersexuellen gravierend beschneidet. Dazu gehören Erschwernisse für Abtreibung und Ganztagsbetreuung (wie in Oberösterreich angekündigt) sowie die Aberkennung gleicher Rechte von gleichgeschlechtlichen Paaren.
Eine tatsächlich „neue Gerechtigkeit“ umfasst ein gutes Leben für alle innerhalb einer globalen Klimagerechtigkeit, in der Geschlechtergerechtigkeit eine bedeutende Rolle zukommt.
7. Weil es einen Systemwandel statt Rückschritten braucht
Wenn wir den Klimawandel aufhalten wollen, brauchen wir eine grundlegende Änderung unseres Wirtschaftssystems. Die derzeitige wachstumsorientierte Produktionsweise und zunehmender Konsum weltweit heizen das Klima auf. Technologische Innovation wird das Klima nicht retten, die Emissionen von reichen Ländern sinken nur scheinbar, weil die besonders klimaschädliche Industrien in ärmere Länder ausgelagert werden. Wenn wir den Klimawandel stoppen wollen, brauchen wir regionale und möglichst geschlossene Wirtschaftskreisläufe, mehr Arbeitsplätze im Bildungs-, Sorge und Service-Bereich und andere Formen des Konsums. Das Wirtschaftsprogramm von FPÖ und ÖVP wird dagegen unter den Schlagwörtern Stärkung des Wirtschaftsstandortes und Entbürokratisierung verhandelt. Was sich dahinter verbirgt sind Senkungen der Steuern für Unternehmen und massive Kürzungen bei Gesundheit, Bildung und Sozialem, wie sie schon in Öberösterreich zu beobachten sind. Die in den Koalitionsverhandlungen beschlossene Arbeitszeitflexibilisierung ist ein erster Vorgeschmack. Großinvestitionen und Infrastrukturprojekte sollen durch ein Standortentwicklungsgesetz gesetzlich festgeschrieben und jegliche kommunale Handhabe sowie die Prüfung der Umweltverträglichkeit umgagen werden. Steuerlich begünstigte Dienstautos wie von der FPÖ gefordert sowie die Bekenntnis zum Ausbau von Flugverkehr lassen Klimaschutz in weite Ferne rücken. Mehr Wettbewerbsfähigkeit und Entbürokratisierung bedeutet nichts anderes als die wahllose Förderung von Wirtschaftswachstum egal um welchen Preis, Aushölung von Umweltstandards und Arbeitsrechten inklusive.
Aus diesen und weiteren Gründen wird sich “System Change, not Climate Change!” an den Protesten gegen eine schwarz-blaue Bundesregierung beteiligen.