Verwässerte UN-Pläne für Klimaschutz der Luftfahrt

Von 11. bis 29. Juni 2018 diskutierte der Rat der UN-Luftfahrtbehörde ICAO (International Civil Aviation Organisation) in Montreal die genaue Ausgestaltung ihres Klimaabkommens. Emissionskompensation und Agrartreibstoffe sind der Kern des Programms, dessen Ziel „CO2-neutrales Wachstum“ der internationalen Luftfahrt ab 2020 ist. Ein offener Brief von 90 Organisationen appellierte zu Beginn der Konferenz für einen Stopp der problematischen Pläne und für effektive Maßnahmen zur Reduktion des Flugverkehrs.

Das ohnehin problematische Abkommen wurde nun bis zur Wirkungslosigkeit verwässert. Auf Druck von Saudi Arabien und den USA entschied das UN-Gremium, auch Erdöl als alternativen Flugtreibstoff zu deklarieren, wenn beispielsweise der Raffinerie-Prozess mit erneuerbaren Energien betrieben sei. Währenddessen wurden detaillierte Kriterien für „alternative Flugtreibstoffe“ und Offsets auf eine nächste ICAO-Konferenz im November verschoben.

Das Kompensationsprogramm CORSIA

Ende 2016 verabschiedet, steht dieses Jahr die konkrete Ausgestaltung des Luftfahrtprogramms CORSIA am Plan. Regierungen waren im Frühjahr 2018 dazu angehalten, die Vorlage der ICAO zu kommentieren und anzunehmen. Sieben europäische Staaten verlautbarten, sie würden einen Ausstieg aus CORSIA ins Auge fassen, sollten die Nachhaltigkeitskriterien für Offset-Gutschriften und „alternative Flug-Treibstoffe“ weiter verwässert werden. Es bleibt zu sehen, ob sie diese Versprechen nun umsetzen. Die EU-Kommission jedenfalls begrüßt die Resultate des Treffens in Montreal: „Sustainability is finally becoming the way we fly!“

Auch die Industrie ist erfreut über „die jüngsten Verhandlungsfortschritte“. CORSIA droht nun, bestehende regionale Klimamaßnahmen für die Luftfahrt zu ersetzen. „Damit CORSIA nicht zur Doppelbelastung für die Fluggesellschaften wird, muss es die europäische Insellösung EU-ETS ab 2021 ablösen“, fordert der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftfahrt BDL.

Das EU-ETS ist das European Emisssions Trading Scheme, über den Fluggesellschaften seit 2012 Zertifikate für ihre CO2-Emissionen kaufen. Offset-Gutschriften sind dort ausgeschlossen. Doch auch ohne den Mechanismus der CO2-Kompensation weist der Emissionshandel viele grundlegende Probleme auf. Aus diesem Grund setzen sich zivilgesellschaftliche Organisationen wie das Netzwerk „Stay Grounded“ für effektive Maßnahmen zur Begrenzung von Flugverkehr wie eine Kerosinsteuer, eine gestaffelte Ticketsteuer und ein Moratorium für neue Flughafenprojeke ein.

„Alternative Treibstoffe“: Palmöl im Flugzeug-Tank?

Die aktuellen CORSIA-Regeln erlauben Airlines die Nutzung jeglicher Biotreibstoffe, solange sie zwei Kritierien einhalten. Von den ursprünglich zwölf Nachhaltigkeits-Kriterien waren letztes Jahr zehn gestrichen worden, inklusive derjenigen zu Landrechten, Ernährungssicherheit und Biodiversitätsschutz. Übrig blieb die Bedingung, dass die „alternativen Treibstoffe“ mindestens 10 % weniger Emissionen erzeugen als konventionelles Kerosin. Dies öffnete Saudi Arabien die Tür, einzufordert, dass auch Erdöl als grüne Alternative gewertet werden darf. Dies soll nun für Kerosin gelten, das 10 % weniger Emissionen generiere, beispielsweise, indem es in Raffinerien unter Einsatz erneuerbarer Energien hergestellt wurde.

Einige EU-Länder hatten daran appelliert, die gestrichenen Nachhaltigkeitskriterien wieder einzuführen. Studien wie die von Changing Markets zeigen jedoch, dass auch dies unzureichen wäre. So fehlt es Nachhaltigkeitskriterien und -Zertifizierungen grundsätzlich an Glaubhaftigkeit und Durchsetzungsfähigkeit. Beispielsweise hatte bisher im Palmölsektor keines der existierenden Schemata dabei Erfolg, Entwaldung, Entwässerung und Biodiversitätsverlust zu reduzieren.

In einem offenen Brief vom 11. Juni 2018 machten 90 Organisationen deutlich, dass sich die Flugindustrie wegen CORSIA zu einem neuen Treiber von Entwaldung, Land Grabbing und Menschenrechtsverletzungen entwickeln könnte. Befürchtet wird dies nicht nur aufgrund von Agrartreibstoffen, sondern auch durch die neue Nachfrage nach Kompensationsgutschriften (Emissions-Offsets).

Die Illusion der Emissions-Kompensation

„Biotreibstoffe und Emissionskompensation sind gefährliche Versuche, die Öffentlichkeit durch Greenwashing zu betrügen“, warnt Almuth Ernsting von Biofuelwatch.

Offset-Gutschriften werden beispielsweise von Projekten zur Energieerzeugung aus Methan, das bei der industriellen Viehhaltung in großen Mengen anfällt, erzeugt. Bei vielen Projekten handelt es sich um Wasserkraftwerke, die vorgeben, die Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen zu verhindern. Auch Waldschutzprojekte oder Betreiber von Baumplantagen können die angeblich vorgenommenen Emissionseinsparungen als Gutschriften an die Flugindustrie verkaufen.

Studien belegen jedoch, dass eine tatsächliche Emissionseinsparung durch Offsets nicht stattfindet. Das Öko-Institut untersuchte für die Europäische Kommission bestehende Kompensationsprojekte und fand heraus, dass nur 2 % der CDM-Projekte (UN-Kompensationsmechanismus Clean Development Mechanism) mit hoher Wahrscheinlichkeit zu zusätzlicher Emissionsminderung führen. Wenn z. B. ein Wasserkraftwerk ohnehin gebaut oder ein Wald nicht abgeholzt worden wäre, sollten diese keine Emissionsgutschriften verkaufen dürfen, denn diese geben Anderen das Recht, mehr zu verschmutzen – in diesem Fall den Fluggesellschaften.

Die Regierungen von Brasilien und China fordern jedoch, dass es bei CORSIA keinen zentralen Auswahlmechanismus für die Anrechenbarkeit von Offsets geben und CDM-Gutschriften erlaubt sein sollen. Die zwei Staaten besitzen insgesamt über 60% der auf dem Markt verfügbaren CDM-Gutschriften. Zudem gibt es bisher keinen Mechanismus, der verhindern würde, dass Fluggesellschaften veraltete Gutschriften verwenden können. Dies würde dazu führen, dass keine zusätzliche Emissionsreduktion stattfände.

Zudem verursachen die fast ausschließlich im Globalen Süden beheimateten Projekte häufig lokale Konflikte oder führen gar zu Landraub – insbesondere bei land- und waldbasierten Projekten wie REDD+. „Damit ein kleiner Teil der Weltbevölkerung immer öfter mit gutem Klimagewissen fliegen kann, sollen andere im Globalen Süden die Treibhausgase reduzieren“, kritisiert Magdalena Heuwieser von “System Change, not Climate Change!”. Laut einer Studie für das EU-Parlament wird der Anteil des Luftverkehrs am CO2-Ausstoß im Jahr 2050 weltweit bis zu 22 Prozent betragen – sofern nicht massiv gegengesteuert wird. „Wir haben keine Chance, die Erderwärmung auf 1,5 % zu begrenzen, wenn Emissionen nicht tatsächlich reduziert werden. Es bleibt kein Platz für Emissionskompensation. Statt zu wachsen muss Flugverkehr dringend beschränkt werden“, so Heuwieser abschließend.

Zum Weiterlesen: www.ftwatch.at/gruenes_fliegen

Verwässerte UN-Pläne für Klimaschutz der Luftfahrt
System Change, not Climate Change!