Teile der Klimabewegung schließen sich mit Busfahrer*innen und ihrer Gewerkschaft vida zusammen, um auf deren miserable Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen. Ein Augenschein.

Laut AMS und Wirtschaftskammer fehlen allein in Wien in den nächsten fünf Jahren 5 000 Busfahrer*innen. Zum 1. Jänner 2024 hat die Bundesregierung zudem den Beruf des Buslenkers in die Mangelberufsliste aufgenommen und dafür das Ausländerbeschäftigungsgesetz angepasst. Das bedeutet, dass Österreich, ähnlich wie in der Gesundheitsbranche, einfacher billige Arbeitskräfte aus Staaten außerhalb der EU abwerben kann. Problem gelöst? Kaum. Teile der Klimabewegung sind seit Sommer 2023 mit den Busfahrer*innen und ihrer Gewerkschaft vida in Kontakt. Bei Betriebsbesuchen wird schnell klar, warum es einen massiven Fahrer*innenmangel gibt.

Dixi-Klos in der Donaustadt

Um 12 Uhr mittags treffen wir Slavisa Savic an der U-Bahn-Station Aspern Nord. Slavisa ist Betriebsrat bei Dr. Richard und zuständig für ungefähr 120 Kolleg*innen in der Donaustadt. Jahrelang haben sie für eine Toilette und einen Unterstand gekämpft, erzählt er. Nun gibt es ein Dixi-Klo und einen Container auf der anderen Seite der U-Bahn-Station, knapp sieben Minuten Fußweg entfernt. Wasseranschluss hat er nicht, aber zumindest ist er beheizt. Dass es nun eine rudimentäre Versorgung gibt, ist nicht dem Unternehmen, sondern dem Betriebsrat zu verdanken. Er bezahlt sie aus dem Betriebsratsfond.

„Wie die Hunde“

In Wien Atzgersdorf sieht die Situation noch schlechter aus. Knapp 60 Fahrer*innen, die täglich von Hietzing nach Atzgersdorf fahren, haben dort keine Toilette. „Sobald es dunkel ist, müssen wir hier aufs Klo gehen – wie die Hunde“, sagt uns Sultan (Name von der Redaktion geändert) und weist auf ein Stück Wiese hinter der Bushaltestelle an einer stark befahrenen Straße. Der Pausenraum in Hietzing ist ein Loch – keine Fenster, knapp 9 Quadratmeter groß. Zu Stoßzeiten wird hier dicht an dicht gedrängt zu acht Pause gemacht. Nun wurde der Kaffeepreis von 50 auf 70 Cent erhöht. Es sind diese Details, die den Busfahrer*innen signalisieren, dass die Politik sich nicht um sie schert. Kein Wunder, dass wir in anderen Pausenräumen schon FPÖ-Kalendern begegnet sind. Wo die Politik versagt und wir als Gesellschaft wegschauen, entsteht ein Nährboden für rechtes Gedankengut. Es ist auch diese Überlegung, die Teile der Klimabewegung dazu bewogen hat, zunehmend die Kooperation mit Gewerkschaften und Arbeiter*innen zu suchen.

Der Stress steigt

Die fehlenden Toiletten und Pausenräume sind nur die Spitze des Eisbergs. Ältere Busfahrer*innen erzählen uns davon, wie die Fahrpläne über die letzten Jahre immer dichter, die Arbeitsbedingungen stressiger geworden sind. Verspätungen auf vielen Linien in Wien lassen sich nicht vermeiden. Deswegen sitzen Fahrer*innen oft stundenlang ohne Pause am Lenker. 15-Stunden-Schichten sind keine Seltenheit – die betreffende EU-Verordnung sieht nur eine neunstündige Ruhezeit oder Freizeitphase zwischen zwei Diensten vor. In diesen neun Stunden müssen die Fahrer*innen zu sich nach Hause fahren, essen, duschen und schlafen. Einige Unternehmen arbeiten immer noch mit geteilten Diensten. Das bedeutet Einsatzzeiten zu den Spitzenzeiten am frühen Morgen und am Abend mit einer langen, unbezahlten Pause dazwischen. Die Fahrer*innen wissen oft nicht, wann sie in der nächsten Woche Dienst haben. Wenn wir die Busfahrer*innen fragen, wann sie Zeit für ihre Familie oder Freizeit haben, lachen sie nur. Hasan (Name von der Redaktion geändert) zum Beispiel hat vor sechs Monaten ein Baby bekommen – nach zwei Wochen wurde er von seinem Chef wieder in den Dienst gerufen, jetzt sieht er seine Tochter kaum. Kein Wunder, dass viele der meist männlichen Busfahrer, mit denen wir sprechen, geschieden sind.

Keine Mobilitätswende in Sicht

Der Verkehr ist immer noch Österreichs emissionsintensivste Branche. Seit 1990 sind die Emissionen im Verkehrsbereich um 57 Prozent gestiegen – hauptsächlich aufgrund des privaten PKW-Verkehrs. Die „Klima-Musterstadt“ Wien plant die Zahl der PKW-Pendler*innen bis 2030 durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu halbieren. Doch mit welchen Busfahrer*innen soll das gelingen? Gleichzeitig lagern die Wiener Linien ein Drittel des Busverkehrs an private Unternehmen aus. Dabei gewichten sie Qualitäts- und Sozialkriterien gering und kontrollieren sie nicht ausreichend. Diese Unternehmen – Postbus, Dr. Richard, Blaguss und Co. – haben einen eigenen Kollektivvertrag mit schlechteren Rahmenbedingungen und einer überwiegend migrantischen Belegschaft. Unter anderem sparen sie beim Nachtzuschlag, bieten keinen Sonntagszuschlag und kaum stufenweise Gehaltserhöhungen nach Berufserfahrung. Eine Busfahrerin, die schon zehn Jahre im Unternehmen arbeitet, bekommt neun Euro mehr pro Monat als ein Kollege, der frisch angefangen hat. Diese Punkte stehen derzeit zur Verhandlung, die Arbeitgeber blockieren sie.

Foto: (c) Hanna Reichhold

Gemeinsam statt gegeneinander

Diesen Missstand haben sich die beiden Klimaorganisationen System Change not Climate Change und Fridays for Future nun exemplarisch zum Anlass genommen, um die Busfahrer*innen und ihre Gewerkschaft vida in ihrem Kampf für bessere Arbeitsbedingungen zu unterstützen – und so langfristig gemeinsam die Mobilitätswende in Gang zu bringen. Zu selten ist die Klimabewegung in den letzten Jahren aktiv auf diejenigen Bevölkerungsgruppen zugegangen, die direkt von der Klimakrise oder dem sozial-ökologischen Umbau betroffen sind. Das hat dazu geführt, dass die Akzeptanz für Klimaschutz in der Bevölkerung sinkt und rechte Bilder einer „Klimaelite“, die den Menschen etwas wegnehmen will, Fuß fassen konnten. Wenn wir die Kampagne bei Betriebsratsbesuchen das erste Mal vorstellen, müssen wir immer zuerst erklären, dass wir nicht „die Klimakleber“ sind. Wenn man einmal den stressigen Arbeitsalltag der Busfahrer*innen kennengelernt hat, darf es nicht wundern, dass eine Blockade im Frühverkehr – die für die Fahrer*innen zur Folge hat, dass sie mit Verspätung in die kostbare Pause gehen oder diese ganz verlieren – die Akzeptanz für Klimaschutz unter den Busfahrer*innen nicht fördert. Dabei sind sie die Klimaheld*innen, die täglich unsere Nächsten transportieren, ohne die die Mobilitätswende unmöglich ist.

Die nächsten Wochen zählen

In den nächsten Wochen werden die Ortsgruppen in Wien/Niederösterreich, Graz, Innsbruck und Salzburg durch Gespräche mit Busfahrer*innen, Fahrgästen und Aktionen weiter Druck aufbauen, um der vida beim letzten Verhandlungstermin am 4./5. März den Rücken zu stärken. Falls sich die Arbeitgeber dort nicht bewegen, droht die vida mit Protestmaßnahmen. In Deutschland hat die Schwesterkampagne Wir fahren zusammen zwischen FFF Deutschland und der Gewerkschaft ver.di am letzten Freitag in 15 von 16 Bundesländern zum gemeinsamen Streik aufgerufen. Falls es in Österreich auch so weit kommen sollte, ist die Klimabewegung bereit, an der Seite der Busfahrer*innen zu stehen.

Wenn Du aktiv werden willst, komm zum nächsten Aktiven-Treffen am 15.2. um 18 Uhr ins Amerlinghaus oder schreibe eine Mail an wfg@wir-fahren-gemeinsam.at. Komm in den Telegram-Kanal und schau auf die Website, um über den weiteren Verlauf der Kampagne informiert zu bleiben!

„Wir fahren gemeinsam“: Busfahrer*innen für bessere Arbeitsbedingungen
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System Change, not Climate Change!