#AckerBleibt – Anfang des Jahres wurde bekannt, dass Amazon ein neues Verteilerzentrum im Grazer Süden bauen möchte. Was bedeutet das für Graz? Die Kritikpunkte am amerikanischen Riesen-Konzern sind vielfältig: Angefangen bei seinem Geschäftsmodell, das massiv auf der Nutzung von Kund*innendaten und dem Durch-die-Welt-Schicken von Paketen beruht, bis hin zu miserablen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Viele dieser Punkte werden wir in diesem Artikel nur am Rande bearbeiten bzw. Infos dazu verlinken, denn wir wollen uns hier genauer ansehen, wie Amazon in Bezug auf Klimagerechtigkeit dasteht.

Klimakiller Amazon

Amazon ist einer der großen Gewinner der Coronakrise, vermehrtes Online-Shopping führte zu enormen Umsatz- und Gewinnzuwächsen. Die Mitarbeiter*innen von Amazon haben von diesem Plus in den Kassen jedoch nichts bekommen. So streikten 2020 kurz vor Weihnachten Amazon Mitarbeiter*innen in Deutschland, damit Amazon ihnen endlich eine Bezahlung nach den tarifrechtlichen Bestimmungen für den Onlinehandel gewährt. Kritik vonseiten der Beschäftigten ist bei Amazon nichts Neues; es gibt eine lange Reihe von Streiks und Protesten in verschiedenen Teilen der Welt.

Auch an Klimaprotesten beteiligten sich Amazon Mitarbeiter*innen. 2019 gingen über 1800 Amazon-Beschäftigte beim Globalen Klimastreik auf die Straße und forderten ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen vom Konzern. Darauffolgenden Berichten ist zu entnehmen, dass Amazon einigen der internen “Klimaaktivisten” mit der Kündigung drohte.

Am Tag vor dem Klimastreik veröffentlichte Amazon seinen „Climate Pledge“ – ein Klimaschutzprogramm, das sich recht leicht als Greenwashing-Projekt erkennen lässt. Mit dem Climate Pledge verpflichtet sich Amazon selbst, über seine Treibhausgasemissionen zu berichten – bestehenden Berichtssystemen trat der Konzern jedoch nicht bei. Wie Amazon sein Ziel, bis 2040 klimaneutral zu wirtschaften, tatsächlich erreichen möchte, bleibt unklar. Doch was bedeutet der “Climate Pledge” und was sollten wir davon halten?

Eines der “klassischen” Werkzeuge zur Emissionsreduktion, auf das auch Amazon in seinem “Climate Pledge” setzt, sind die „zuverlässigen Ausgleichsmaßnahmen“ („credible offsets“). Dass derartige Kompensationsmaßnahmen oft in Wahrheit keine Emissionen einsparen, sondern zu Menschenrechtsverletzungen und der Zerstörung von Ökosystemen führen können, ist weit bekannt. Mehr dazu könnt ihr hier nachlesen.

AECJ – Amazon Employees for Climate Justice

Die Gruppe der “Amazon Employees For Climate Justice” hat einen offenen Brief an die Geschäftsführung verfasst. Mehr als 8000! Mitarbeiter*innen haben diesen Brief unterzeichnet. Sie verlangen größeres Bemühen von der Konzernführung in Bezug auf die Klimakrise und sind der Meinung, dass die Emissionsreduktionsziele von Amazon zu niedrig sind. “Given Amazon’s rate of growth, reaching 50% net-zero shipments by 2030 [Anm: Ist ein Ziel vom Climate Pledge] could still be an increase in emissions compared to today”. Es ist nicht zu erwarten, dass die Bestellung von 20.000 dieselbetriebenen Lieferwagen im Jahr 2018 zur Erreichung der Reduktionsziele beiträgt. Zusätzlich trifft die Feinstaubbelastung durch solche Fahrzeuge verstärkt Communities of Color.

E-Mobilität

Der Riesen-Konzern gibt in seinem “Climate Pledge” an, eine Flotte von 100.000 Elektrofahrzeugen bis 2024 bestellt zu haben, welche für die Zulieferung an die Haushalte eingesetzt werden. Es stellen sich mehrere Fragen: Wie soll so eine Menge E-Autos in so kurzer Zeit gebaut werden und wie hoch sind die Emissionen, um diese zu bauen?
Wenn Ihr mehr über das Greenwashingprodukt E-Auto erfahren wollt, dann hört euch doch unsere Podcast-Folge “Elektromobilität, Hoffnung oder Illusion für die Verkehrswende” an. E-Autos brauchen genau so viel Platz wie fossil betriebene Fahrzeuge und stehen einer zukunftsfähigen Stadt für Menschen im Wege. Güterverteilung in der Stadt kann und sollte zunmehmend von (E-)Lastenrädern übernommen werden.

Amazon Air

Um die “eingesparten Emissionen” durch die E-Fahrzeuge wieder auszugleichen, kaufte Amazon im Jänner 2021 12 Flugzeuge, welche nun für die Expresslieferungen zur Verfügung stehen. Bisher bestand die Flotte “nur” aus 80 geleasten Maschinen. Gleichzeitig führen die wachsenden Umsätze und immer kürzere Lieferzeiten bei Amazon zu mehr Frachtvolumen und folglich zu mehr Flügen. Amazon Air ist ein Klimakiller.

Datenzentren

Die riesigen Serverfarmen, die nicht nur für den Betrieb des Online-Kaufhauses nötig sind, sondern die auch andere Firmen via „Amazon Web Services“ (AWS) nutzen, verbrauchen große Mengen an Strom. Im offenen Brief der “Amazon Employees For Climate Justice” wird weiters bemängelt, dass Amazon seine Rechenzentren (AWS inkl. AI) großen Ölkkonzernen zur Verfügung stellt.
“AWS allows Oil and Gas companies to streamline and reinvent complex, customized IT workflows to thrive despite low prices, shrinking margins, and market volatility. Explorers can extract deep insights faster to improve field planning, geoscientists can run more demanding HPC workflows and identify potential reservoirs faster and cheaper, and refineries can optimize production with predictive maintenance and predictive inventory planning.”
Während unserer Recherche fanden wir heraus, das die Inhalte zu Öl und Gas auf der AWS Homepage innerhalb des letzten Jahres entfernt wurden. Das Zitat wurde in einem Folgeartikel zu Big Tech, AI und Ölkonzernen gefunden.
Der steigende Stromverbrauch durch solche Datencenter wird als Argument verwendet, um weiterhin fossile Brennstoffe aus dem Boden zu holen. Der Energiekonzern “Dominion has used rising data center demand to justify significant new investments in natural gas supply and generation capacity, most notably the $7-billion Atlantic Coast Pipeline (ACP), which will deliver fracked gas into Virginia and North Carolina”.

Amazons Gesamtemissionen?

Amazon veröffentlichte erst im Jahr 2018 zum ersten Mal ihre eigenen Emissionen (44,4 Millionen Tonnen). Wie Amazon ihre Emissionen berechnet ist nicht herauszufinden. Sind hier die weltweiten Schiffstransporte eingerechnet? Was ist mit den Serverfarmen? Für welche Emissionen sieht sich Amazon überhaupt verantwortlich? Hier bleiben etliche Fragen unbeantwortet.
Ihrem eigenen Statement ist jedoch zu entnehmen, dass mehr als ein Jahr nach dem Climate Pledge ihre Emissionen um 15% auf 51,7 Millionen Tonnen im Jahr gestiegen sind. (Im Vergleich Österreich 2018: 79 Millionen Tonnen)

Climate Pledge ist schlechtes Greenwashing

Alles in allem wird deutlich: Amazon setzt sich “schöne” Ziele, kann diese jedoch schon allein durch die Wachstumsprognose nicht einhalten. Amazon hat bereits im Jahr 2014 100% erneuerbare Energien für die eigenen Datencenter versprochen, daraus geworden ist auch bis 2021 noch nichts. Der “Climate Pledge” ist ein weiteres Greenwashing-Versprechen, damit die Menschen weiter online einkaufen können, ohne sich Gedanken über das Klima oder die Umwelt zu machen. (Und da sind wir in diesem Artikel noch gar nicht auf den Ressourcenverbrauch durch Verpackungsmaterial eingegangen)
Das Klimaversprechen fördert ein “business as ususal”, statt auf den Treiber von Amazons Emissionen einzugehen: Das Geschäftsmodell. Dieses regt zu vermehrtem Konsum an und vermittelt gleichzeitig das Gefühl, jedes Produkt sei sofort verfügbar. Die globale Vermarktung der Ware steht einer klimafreundlichen und regionalen Wirtschaft mit kurzen Transportwegen diametral entgegen. Dabei darf nicht vergessen werden, worauf Amazons wirtschaftlicher Erfolg basiert: auf unrühmlichen Geschäftspraktiken, einer Monopolstellung und auf der Ausbeutung von Mitarbeiter*innen weltweit – kurz Kapitalismus im Endstadium.

Gerechtigkeits- und Gewerkschaftskiller Amazon

Es gibt sehr viele Kritkpunkte am Arbeitsmodell Amazon, welche in einer klimagerechten Zukunft nicht tragbar sind. Wir wollen hier nur einmal exemplarisch eine Liste an Problemen bei Amazon zusammenfassen und dann vor allem auf den aktuellen Arbeitskampf um die Gründung einer Gewerkschaft (Union) in einem Amazon-Werk in den USA eingehen.

Arbeitsbedingungen:

  • Erniedrigend & krankmachend für Arbeiter*innen in den Verteilerzentren, aber auch für Fahrer*innen
  • Bezahlung an unteren Grenze für die Branche
  • Überstunden, Stress und Überwachung
  • Gesundheitsfeindliche Arbeitsbedingungen während der Coronakrise

Konsument * innen und Gesellschaft:

  • Preiskontrolle und Preisdumping
  • Entfernung von Produkten & unkritisches Anbieten von diskriminierenden u.ä. Waren
  • Überwachung und Datenschutz, Datenkrake, gläserne*r Kunde*in
  • Steuerflucht
  • Monopolbildung & Marktvereinnahmung (Bsp.: Buchhandel)

Für weitere Informationen zu Steuertricks und Ausbeutung der Arbeiter*innen wollen wir euch den Artikel von Attac empfehlen: Amazons Welt: Steuertricks, Ausbeutung, Klimazerstörung

Kampf um Gewerkschaft 2021

Credit: War on Want

Anfang April 2021 kamen die stärksten Bemühungen in der Geschichte der Arbeitskämpfe gegen den Konzern – die Gründung einer Gewerkschaft im Werk von Bessemer, Alabama – zu einem unbefriedigenden Ende. Durch etliche unlautere Wahlprozesse und Einschüchterungen stimmten nur 738 Personen für und 1.798 Perosnen gegen eine Gewerkschaft. 505 Stimmen wurden von Amazon als ungültig erklärt. Über 5000 Arbeiter*innen waren stimmberechtigt.
Der Wahlgang zur Geschwerkschaftsgründung zeigt wieder die vielen hässlichen Gesichter des Konzerns zur Unterdrückung solcher Bemühungen.

Im Interview von Democracy Now! mit Stuart Appelbaum, dem Präsidenten der “Retail, Wholesale and Department Store Union” fasste dieser das Verhalten vom Amazon rund um die Abstimmung einfach zusammen: “They broke the law in so many ways”.
Als Beispiel erzählt er, dass es organisierte Vorträge für die Arbeiter*innen gab, “warum sie keine Gewerkschaft brauchen” und wenn kritische Fragen gestellt wurden, wurde von diesen Personen ein Foto gemacht.
Trotzdem sah er die Organisierung, die Debatte und die dadurch entwickelte Medienpräsenz als wichtigen Schritt für zukünftige Kämpfe.

Grazkiller Amazon

Dieser Konzern will sich nun ein Riesen-Verteilerzentrum in Graz bauen.
Hier mal zu den Facts, die uns bis Mai 2021 bekannt waren:

  • gewidmet als Gewerbegebiet und seit 1998 Baugebiet
  • Lager- und Logistikhalle wird 150m lang, 72m breit und 14m hoch (10.800m²)
  • 5,7 Hektar Acker werden versiegelt
  • viergeschossiges Parkhaus für 960 Lieferfahrzeuge und weitere 280 PKW Parkplätze
  • 24h Betrieb: Zulieferung sowie das Hauptgeschäft (laut Amazon-Angaben rund 70%) passieren in der Nacht
  • Lage
  • Der Grund ist im Moment an eine LIGÜ Projektentwicklungs GmbH verpachtet, welche im Besitz von Go Asset ist, einem Unternehmen, welches großflächige Logistikimmobilien entwickelt.

Vor Ort bildete sich kurz nach dem Bekanntwerden dieses Projekts eine Bürger*innen Initiative: BI Lebenswertes Liebenau
Diese hat auch eine Onlinepetition gestartet:
“Ackerboden statt Amazon” – Grazer gegen ein geplantes Amazon-Riesen-Lager in Liebenau.
Auch politisch wird zumindest darüber diskutiert. Es gab bereits einen Sonderlandtag dazu und die Parteien haben Stellung bezogen.

Was sind nun die Auswirkungen auf Graz?

Arbeitsplätze

“Aber Amazon schafft doch Arbeitsplätze!” – Ein klassisches Argument, welches als Naturgesetz dargestellt wird, um solche Megaprojekte durchzusetzen. Doch bei diesem Punkt gibt es mindestens zwei gravierende Probleme:

  1. Welche Art von Arbeitsplätze wird geschaffen?
    Naja, wie bereits oben beschrieben, werden es laut Erfahrungen aus anderen Amazon-Hallen auf der ganzen Welt wohl mitunter die beschissensten Arbeitsplätze in der Logistikbranche werden: Überarbeitung und Überwachung als Dauerzustand im Arbeitsalltag, in dem die Mitarbeiter*innen dem Unternehmen so viel wert sind wie ein austauschbarer Roboter.
  2. Was bedeutet Amazon für die lokale Wirtschaft?
    Durch die Corona Krise sind viele kleinere Betriebe in der Region vor große wirtschaftliche und existenzielle Probleme gestellt worden. Nun kommt noch ein Online-Händler dazu, welcher zur Konkurrenz und zum Preisdruck beiträgt. Die lokalen Geschäfte können natürlich nicht mit den Preisen auf Amazons Onlineplattfrom mithalten, welche die globale Güterkette ausnutzt. Produkte werden aus Billiglohnländern, in welchen unter umwelt- und menschenzerstörenden Bedingungen gearbeitet wird, importiert. Steuern zahlt Amazon in diesen Ländern keine. Der Treiber gegen ein Geschäftesterben – die regionale Wertschöpfung von Produkten und damit verbunden kurze Transportwege und dezentrale Versorgung – sind wichtige Standpunkte für die lokale Wirtschaft UND einer klimagerechten Arbeitswelt der Zukunft.

Verkehr

Graz ist die Feinstaubhochburg von Österreich. Durch das neue Logistikzentrum werden die ohnehin überlasteten Straßen im Grazer Süden noch mehr Verkehr ausgesetzt sein. Mit bis zu 1000 Lieferwägen wird die Verkehrs- und Feinstaubsitution nur verschlechtert und es sind weitere Auswirkungen auf Umwelt, Klima und vor allem die Anrainer*innen zu erwarten.
Durch den 24h-Betrieb und die Anlieferungen vor allem zu Nachtzeiten wird es zu erheblicher Lärmbelästigung kommen.

Bodenverbrauch

Die Bodenversiegelung in Österreich wird immer mehr zu einem medialen(1,2,3) und politischen Thema. Österreich verbaut seine freien Flächen so schnell wie kein anderes europäisches Land. Genaue Details könnt ihr im WWF Bodenreport 2021 nachlesen. Auch in Graz nimmt die Verbauung stetig zu. Wenn Graz so weiter macht, wird sie auch noch zur Betonhauptstadt Europas.

In einer klimagerechten Zukunft braucht es jedoch genau solche Äcker wie jenen im Süden von Graz. Stadtnahe Landwirtschaft ist nötig, um regionale Lebensmittel zu produzieren und diese nicht durch ganz Europa oder gar noch weiter zu transportieren. Zusätzlich geht mit der Verbauung von Bodenflächen eine Aufhitzung der Flächen einher, welche zum Stadtklima bzw. zum Klimaphänomen der Hitzeinseln beiträgt – und diese wiederum Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt darstellt.
Ebenso trägt eine Verbauung zu möglichen Überschwemmungen bei Starkregenereignissen bei. Durch die Klimakrise steigt die Anzahl an extremen Wetterereignissen wie Hitzewellen oder Starkregen.

Wie es geht, haben unsere Freund*innen in Wien bereits gezeigt. Als Protestmittel gegen den Ausbau der 3. Start- und Landebahn am Wiener Flughafen, haben sie mit einem Bauern, welcher diese Felder bestellt, ein 3.Piste Mehl erzeugt, um so auf die Wichtigkeit der regionalen Versorgung aufmerksam zu machen. Hier erfahrt ihr mehr zu Auswirkungen 3. Piste beim Flughafen in Wien.

Fazit – Zukunftsfähige Region statt Amazon

Kurz zusammengefasst: 5,7 Hektar Acker sollen versiegelt werden, wodurch die globale Klimakrise angeheizt wird. Amazon fördert verantwortungslosen Konsum, und das Ganze trägt dazu bei, dem reichsten Mann der Welt und dessen Konzernkonglomerat – auf Kosten der Arbeiter*innen, des Klimas und der Umwelt – Jahr für Jahr neue Profitmaximierungen zu ermöglichen. Es gibt unzählige Probleme, welche den Bau einer überdimensionierten Logistikhalle begleiten und dieser Artikel umfasst wohl auch noch immer nicht alle kritischen Aspekte in Hinblick auf Klima und Umwelt, die dadurch entstehen. Auch wenn Amazon immer wieder alles “schön und gut” redet, ist dem nicht zu vertrauen. Die Mitarbeiter*innen bekommen das in ihrer täglichen Arbeit zu spüren und es wird sich zeigen, dass vom “Climate Pledge” nicht mehr übrig bleibt als ein Greenwashingprodukt.

Das Bauvorhaben gehört gestoppt, wenn wir uns auf dem Weg in eine klimagerechte Zukunft nicht alle Möglichkeiten verbauen wollen!

Wer genaueres zum Thema Klimagerechtigkeit und Arbeit nachlesen will, kann sich auf unserer Homepage hier weiter informieren.

[Links zuletzt am 29.4 abgerufen]

Zukunftsfähige Region statt Amazon
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