Luftfahrt und Klimawandel

So manch eine*r hat vermutlich schon mit Online-Rechnern den persönlichen ökologischen Fußabdruck kalkuliert. Je nach Fragen und Berechnungsgrundlagen ändern sich zwar die Ergebnisse, doch es wird deutlich: Man kann sich noch so vegan ernähren und ohne eigenes Auto auskommen, ein paar getätigte Flüge im Leben reichen, um den Fußabdruck nach oben schnellen zu lassen (vgl. Rechner). Würde die ganze Welt so viel fliegen wie Grünwähler*innen, die gleich vor der Linken-Wählerschaft im deutschen Vergleich am häufigsten im Flugzeug sitzen (Heinrich-Böll-Stiftung/ Airbus Group 2016: 15), dann bräuchten wir gleich mehrere Erden.

Flugzeuge schlucken immense Mengen an Erdöl, dem Kerosin. Überdies benötigt der Bau der Maschinen Metalle, Flughäfen verbrauchen Flächen, Stahl und Zement (Wuppertal Institut 2005: 82). Das durch Flüge ausgestoßene CO2 trägt mit rund 2 % zum Klimawandel bei. Selten mitgerechnet werden in Statistiken die von der Klimawissenschaft bewiesenen weiteren Flugschadstoffe. Darunter fallen insbesondere Stickoxide, Rußpartikel und Wasserdampf, welche klimawirksame Kondensstreifen und Zirruswolken verursachen. Insgesamt liegt der Anteil des Luftverkehrs damit schätzungsweise bei 5 % der Auswirkungen klimarelevanter Emissionen. (IPCC 1999; Fahey/ Lee 2016; UBA 2010: 20). Da die Luftfahrt weiter wachsen will, wird (im Vergleich zu 2006) bis 2050 eine Vervierfachung des Kerosinverbrauchs und der CO2-Emissionen prognostiziert (ICAO 2009: 1).

Wer fliegt, wer nicht? Ungerechtigkeit im Luftraum

Eine Umfrage in Deutschland hat ergeben, dass 82 % der Menschen Flugreisen für private Zwecke nutzen, 11 % für Geschäftsreisen, 7 % sowohl als auch. Da die Geschäftsreisenden vor allem aus Vielflieger*innen besteht, sind etwa 40 % aller Flugreisen sind geschäftlich bedingt (BDL 2014: 5; BDL 2015: 5). Immer mehr Güter werden außerdem mit dem Flugzeug transportiert, insbesondere Hochtechnologiegüter und schnell verderbliche Nahrungsmittel (VCÖ 2006: 13). So stieg die Luftfracht in Tonnenkilometern gemessen zwischen 1975 und 1999 beispielsweise um 449 % an (Wuppertal Institut 2005: 81). Die Fluglinien transportierten im Jahr 2014 Güter im Ausmaß von 51,3 metrischen Tonnen, die mehr als 35% des global gehandelten Warenwertes (nicht Gewicht) entsprachen. Das Frachtgeschäft erwirtschaftet im Schnitt 9% des Umsatzes der Fluglinien (IATA 2016).

#BlackLivesMatterUK @ukblm
#BlackLivesMatterUK @ukblm

Am 6. September 2016 blockierten ein Dutzend Aktivist*innen der Gruppe „Black Lives Matter“ die Landebahn des London City Airport. „Climate Crisis is a Racist Crisis“ lautete ihre Botschaft (BBC 2016). Tatsächlich, eine weiße Mittel- und Oberschicht des Globalen Nordens ist weiterhin für den Großteil der Flüge verantwortlich. Schätzungen vom Jahr 2003 gingen von einem Anteil von 1 bis 5 % der Weltbevölkerung aus, der überhaupt je geflogen ist (Wuppertal Institut 2005: 81). Laut internationalem Klimarat sind weiterhin nur 10 % der Weltbevölkerung für 80 % der motorisierten Passagier-Kilometer verantwortlich (IPCC 2014: 606). Die allermeisten der 150 größten Flughäfen liegen weiterhin (2005) in Europa und den USA, gerade mal acht befinden sich in Südamerika und auf dem afrikanischen Kontinent (Wuppertal-Institut 2005: 80). Die Auswirkungen des Klimawandels sind hauptsächlich im Globalen Süden zu spüren, dort, wo am wenigsten geflogen wird.

Doch die Verbraucher*innenklasse breitet sich weltweit aus, auch die Mittel- und Oberschicht in Schwellenländern und der Peripherie fliegt vermehrt. In China wurden allein in den letzten 10 Jahren 50 neue Flughäfen errichtet (Mayer-Kuckuk 2015). Hunderte von Flughafen-Neu- oder Ausbauten gibt es weltweit, nicht selten lokalen Widerständen zum Trotz, die sich gegen Landversiegelung, Lärmzunahme, lokal wirksame Luftfahrtstoffe wie Feinstaub und gesundheitsschädigende Auswirkungen stellen (VCÖ 2006: 22 ff).

Weltweit steigt der Flugverkehr rasant an, bis 2034 wird mit der Verdoppelung der Passagierzahlen gerechnet (Richie 2016: 91). Aktuell gibt es pro Jahr etwa 3,3 Milliarden Flugreisen. 32.585 große Zivilflugzeuge werden weltweit bis 2034 gebaut, schätzt Airbus. 39 % der Bestellungen gehen dabei aufs Konto von Fluglinien aus dem Asien und dem Pazifikraum. Doch Europa und Nordamerika sind weiterhin für 37 % verantwortlich – der afrikanische Kontinent nur für 3 % (Airbus 2015: 10). Dass das Fliegen „Teil der modernen Massenkultur“ geworden sei und „günstigere Ticketpreise […] zu einer Demokratisierung des Fliegens“ geführt habe, wie teilweise behauptet wird, stimmt also noch lange nicht (Heinrich-Böll-Stiftung/ Airbus Group 2016: 3). Zahlungskräftige Menschen sind weiterhin auf Kosten der Biosphäre und den vom Klimawandel, von Feinstaub, Lärm und Gesundheitsschäden Betroffenen mobil. Das ist von Demokratie und Gerechtigkeit weit entfernt.

Klimagerechtigkeitsbewegungen setzen sich daher für eine Reduktion des Flugverkehrs ein – ganz besonders im Globalen Norden. Der Trend geht aber klar in eine andere Richtung.

Fliegen ist nicht billig – es wird billig gemacht

Die umweltschädlichste aller Transportformen wird auch hierzulande weiterhin am stärksten gefördert. In Deutschland wird der Flugverkehr mit rund 10 Milliarden Euro jährlich subventioniert, in Österreich sind es rund 500 Millionen. Kerosin ist als einziger Treibstoff von einer Steuer befreit. Übrigens weltweit. Auf internationale Flüge fällt außerdem keine Mehrwertsteuer an (UBA 2014: 38 f; WIFO 2016: 2). Viele Flughäfen sind des Weiteren grundsteuerbefreit. Vor allem kleinere Regionalflughäfen können nur mittels staatlicher Betriebsbeihilfen überleben. In der EU treiben 42 % der Flughäfen Verluste ein, bei Regionalflughäfen ist es sogar die große Mehrheit (Europäische Kommission 2014: 2). In Deutschland arbeiten nur sechs der sieben größen Flughäfen in Deutschland rentabel (Heinrich-Böll-Stiftung/ Airbus Group 2016: 44). 

Dass Fliegen billiger kommt als Zugfahren ist also kein Zufall. Schon lange fordern Umweltverbände daher die Abschaffung der Privilegien der Luftfahrt und die Einführung einer Kerosinsteuer. Regionalflughäfen könnten geschlossen, Kurzzstreckenflüge (bis 800 km) und ein Teil der Mittelstreckenflüge (800 bis 3.000 km) durch erschwinglichen Zugverkehr ersetzt werden. Denn je kürzer die Flugstrecke, desto schlechter ist die Klimabilanz: Beim Starten und Landen wird besonders viel Treibstoff ausgestoßen (VCÖ 2006: 33 f; BUND et al. 2015). 84 % der aus Österreich abgehenden Flüge bleiben innerhalb von Europa, 5 % sind innerösterreichisch (z. B. Linz-Wien, Salzburg-Wien) (Statistik Austria 2014: 453). Einen Großteil unseres Flugverkehrs zu verringern wäre also ökologisch und ökonomisch sinnvoll sowie sozial deutlich gerechter.

Doch eine neue Idee hat die Arena betreten: Das Versprechen, die Luftfahrt könne alsbald auch CO2-neutral wachsen, lässt grundsätzliche Umorientierungen im Verkehrssystem scheitern. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt die grundsätzlichen Widersprüche und Probleme dieser „Green Economy“ auf, die nicht nur in der Flugindustrie zu finden sind. Letztendlich geht es um ein Ringen zwischen dem Festhalten am Business as Usual-Modell und den klimapolitishen Erfordernissen. Und um die ganz grundsätzliche Tendenz im Neoliberalismus, sämtliche Entwicklungen und Veränderungen über den Markt erreichen zu wollen – statt über staatliche Regulierungen.

>> Mehr zum Traum des grünen Wachstums: Nachhaltiges Fliegen?

 

Quellen:

Airbus (2015): Flying by Numbers. Global Market Forecast 2015. http://www.airbus.com/company/market/forecast/?eID=maglisting_push&tx_maglisting_pi1%5BdocID%5D=89372

BBC – British Broadcasting Corporation (2016): Black Lives Matter Protesters Close London City Airport Runway. http://www.bbc.com/news/uk-england-london-37283869

BDL – Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (2014): Verbraucher Report 2014. http://www.bdl.aero/download/1229/bdl_verbraucherreport_2014.pdf

BDL – Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (2015): Verbraucher Report 2015. https://www.bdl.aero/download/1825/bdl_verbraucherreport2015_web.pdf

BUND – Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland/ Brot für die Welt et al. (2015, Hg.): NGO-Luftverkehrskonzept. Schritte zu einem zukunftsfähigen und umweltverträglichen Luftverkehr in Deutschland. http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/mobilitaet/150804_bund_mobilitaet_ngo_luftverkehrskonzept.pdf

Campos A., Pamela (2016): A Market Based Measure for International Aviation. Need, Design, and Legal Form. Carbon and Climate Law 2/2016, 93-96

Europäische Kommission (2014): Competition. Policy Brief. New State Aid Rules for a Competitive Aviation Industry. http://ec.europa.eu/competition/publications/cpb/2014/002_en.pdf

Fahey, David W./ Lee, David S. (2016): Aviation and Climate Change. A Scientific Perspective. In: Carbon and Climate Law 2/2016, 97-104

IATA – International Air Transport Association (2016): Air Cargo. Enabling Global Trade. http://www.iata.org/whatwedo/cargo/pages/index.aspx

ICAO – International Civil Aviation Organisation (2009): Global Aviation CO2 Emissions Projections to 2050. http://www.icao.int/environmental-protection/GIACC/Giacc-4/Giacc4_ip01_en.pdf

IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change (1999): Aviation and the Global Atmosphere: A Special Report of IPCC Working Groups I and III. Cambridge: Cambridge University Press

IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change (2014): Climate Change 2014. Synthesis Report. http://ar5-syr.ipcc.ch/resources/htmlpdf/ipcc_wg3_ar5_chapter8/

Mayer-Kuckuk, Finn (2015): China klotzt mit neuen Riesen Airports. http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/peking-baut-mega-infrastruktur-china-klotzt-mit-neuen-riesen-airports/11366142.html

McManners, Peter (2012): Fly and Be Damned: What Now for Aviation and Climate Change? New York: Zed Books Ltd

Ritchie, Judith (2016): The Opportunity and Challenge of a Global Market Based Measure for Aviation. In: Carbon and Climate Law 2/2016, 91-92

Statistik Austria (2015): Statistisches Jahrbuch 2015. https://www.lbg.at/static/content/e173427/e182630/file/ger/statistisches_JB_15.pdf

UBA – Umweltbundesamt (2010): Überarbeitung des Emissionsinventars des Flugverkehrs. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/461/publikationen/3949.pdf

UBA – Umweltbundesamt (2014): Umweltschädliche Subventionen in Deutschland. Aktualisierte Ausgabe 2014. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/umweltschaedliche_subventionen_2014_0.pdf

Wifo – Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (2016): Executive Summary. Subventionen und Steuern mit Umweltrelevanz in den Bereichen Energie und Verkehr. https://www.klimafonds.gv.at/assets/Uploads/Presseaussendungen/2016/PK-Wifo-Subvention/Summary-StudieSubventionen-und-Steuern-mit-Umweltrelevanz2016.pdf

Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie (2005): Fair Future. Begrenzte Ressourcen und globale Gerechtigkeit. München: Verlag C.H. Beck

kuk, Finn (2015): China klotzt mit neuen Riesen Airports. http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/peking-baut-mega-infrastruktur-china-klotzt-mit-neuen-riesen-airports/11366142.html

McManners, Peter (2012): Fly and Be Damned: What Now for Aviation and Climate Change? New York: Zed Books Ltd

Ritchie, Judith (2016): The Opportunity and Challenge of a Global Market Based Measure for Aviation. In: Carbon and Climate Law 2/2016, 91-92

Statistik Austria (2015): Statistisches Jahrbuch 2015. https://www.lbg.at/static/content/e173427/e182630/file/ger/statistisches_JB_15.pdf

UBA – Umweltbundesamt (2010): Überarbeitung des Emissionsinventars des Flugverkehrs. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/461/publikationen/3949.pdf

UBA – Umweltbundesamt (2014): Umweltschädliche Subventionen in Deutschland. Aktualisierte Ausgabe 2014. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/umweltschaedliche_subventionen_2014_0.pdf

Wifo – Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (2016): Executive Summary. Subventionen und Steuern mit Umweltrelevanz in den Bereichen Energie und Verkehr. https://www.klimafonds.gv.at/assets/Uploads/Presseaussendungen/2016/PK-Wifo-Subvention/Summary-StudieSubventionen-und-Steuern-mit-Umweltrelevanz2016.pdf

Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie (2005): Fair Future. Begrenzte Ressourcen und globale Gerechtigkeit. München: Verlag C.H. Beck

System Change, not Climate Change!